Pupplinger Au:Savannen zwischen Licht und Schatten

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Erst wurde die Wildflusslandschaft zerstört, bald auch der Kiefernbestand: Der Wolfratshauser Forstwirtschaftler Jobst Friedrich Hahn sieht die Pupplinger Au gefährdet.

Wolfgang Schäl

Die Pupplinger Au, die von der südlichen Grenze des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen bis nach Schäftlarn reicht, gilt noch immer als Teil der letzten großen, zusammenhängenden Wildflusslandschaft in Mitteleuropa: des Isartals. Sie steht unter Naturschutz und ist dank ihrer spezifischen Arten nicht nur für Erholungssuchende ein lohnendes Ziel, sondern auch für Botaniker und Forstwissenschaftler.

Kleiner Bach in der Pupplinger Au: Das Gebiet zwischen Wolfratshausen und Schäftlarn gilt noch immer als Teil der letzten großen, zusammenhängenden Wildflusslandschaft in Mitteleuropa. (Foto: region.wor)

Einer von ihnen ist der Wolfratshauser Jobst Friedrich Hahn, der sich mit Veränderungen der sensiblen Flora in dieser Zone beschäftigt und darüber eine umfangreiche Diplomarbeit verfasst hat. "Regenerierung des alluvialen Schneeheide-Kiefernwaldes im Naturschutzgebiet und Naturwaldreservat Pupplinger Au" lautet der etwas sperrige Titel der Abhandlung, die Hahn vor einigen Monaten am Waldbau-Institut der Freiburger Universität vorgelegt hat.

Der junge Wisenschaftler weist in seiner Arbeit auf etwas hier ziemlich Bekanntes hin: Dass die Pupplinger Au dank ihrer Erschließung durch zwei Straßen ein beliebtes Ziel für Radsportler sei und sich die Isar mit ihren ausladenden Kiesbänken und Weidengebüschen zum Sonnenbaden bestens eigne. "Der savannenartige Charakter der weitständigen Altkiefern lädt zu schweifenden Blicken ein, der Übergang zu den dunklen, fichtendominierten Abschnitten und die darauffolgenden weiten Wiesenflächen bieten ein kurzweiliges Erlebnis", schildert Hahn die optischen Eindrücke, die den Besucher entzücken. Kaum ein Naherholungssuchender erkenne indessen, dass dieses typische Erscheinungsbild, die Fichten und der angenehme Sichtschutz durch Weidengebüsche, "Ausdruck eines gestörten Ökosystems ist".

Hahn hat bei seinen Studien in der Vegetationsphase des vergangenen Jahres "eine für die Kiefer verjüngungsfeindliche Bodenvergrasung" konstatiert. Und: Die Fichte verdränge die lichtbedürftige Kiefer, letztere habe es in diesem Umfeld zunehmend schwer, sich zu etablieren. Für Hahn ist die natürliche Verjüngung der Kiefernbestände, die den Fortbestand der typischen Au sichern sollten, somit "sehr ungewiss".

Zu den langfristigen Ursachen dieser Entwicklung zählt der Waldkundler die Wasserbau-Maßnahmen am oberen Isarlauf zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die im Zusammenhang mit Walchenseekraftwerk und Sylvensteinspeicher durchgeführt wurden. Die Überleitung von Isar- und Rißbachwasser in den Walchensee machten die Isar zum Rinnsal, und der Speichersee verhindert seit seinem Bau den wichtigen Geschiebetransport. "Die Pupplinger Au und die flussauf angrenzende Ascholdinger Au waren vor den Verbauungen urtümliche Wildflusslandschaften, in denen das Wechselspiel zwischen Erosion und Sedimentation beispielhaft verfolgt werden konnte", stellt Hahn fest. Heute seien dort mit Weiden verbuschte Kiesbänke und ein nahezu geschlossenes Flussbett zu finden.

Hahns Prognose ist unerfreulich. Durch das Absterben des überalternden Baumbestandes bei zunehmender Verbuschung und Vergrasung sowie durch das Ausbleiben jeglicher Verjüngung der Kiefer werde "im weiteren Verlauf der ursprüngliche Charakter des Naturwaldreservates weiter verloren gehen".

Ohne "sukzessionshemmende", also die Ausbreitung noch dichteren Baumbestandes verhindernde Pflegemaßnahmen werden sich Hahn zufolge die lichten Schneeheide-Kiefernwälder nicht mehr verjüngen, sondern zu geschlossenen Waldgesellschaften entwickeln. Dieser strukturelle Wandel sei aus Sicht des Naturschutzes insofern von großer Bedeutung, als die lichten Kiefernwalder auch wichtige Lebensräume für diverse vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenartenarten seien, darunter Orchideenarten wie der Frauenschuh, das Fuchsknabenkraut, die Fliegenragwurz und der Rotbraune Stendelwurz, ebenso diverse Wanzen-, Schnecken- und Pilzarten.

Für die zukünftige Entwicklung hält Hahn fest, dass die Pupplinger Au sich inmitten eines sehr schnell voranschreitenden floristischen Wandel befindet, der eine Ausbreitung von Sträuchern zur Folge hat.

Eine Förderung der Regeneration in der Pupplinger Au könnte Hahns Forschungen zufolge nur durch die Reaktivierung der verlorengegangenen Wildflusslandschaft geschehen. Die heute moderne "Renaturierung" durch ein Entfernen der Uferverbauungen stuft der junge Forstwirt für den Erhalt der Auenvegetation als "absolut unwirksam" ein. Einzig die Wiederherstellung der "morphodynamischen Aktivität der Umlagerungszone" durch eine größere Wassermenge und mehr Hochwasserspitzen würde nach Hahns Überzeugung zum Erfolg führen. Angesichts der zum Tiel dichten Bebauung des Isartals hält er dies jedoch für unrealistisch.

© SZ vom 05.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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