Premiere:Betörendes Ergebnis einer Gehirnwäsche

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Der Nachwuchs fehlt: Karl-Heinz Bille (li.) und Albert Maly-Motta vom Tölzer Marionettentheater suchen neue Mitspieler. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Tölzer Marionettentheater bringt "Die Entführung aus dem Serail" auf die Bühne

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Es ist ein magischer Moment: Im Theater zu sitzen mit Blick auf den noch geschlossenen roten Vorhang. Alles ist offen, alles kann passieren. Da erklingen die ersten Takte der Musik, die Spannung wächst. Der Vorhang öffnet sich und zeigt . . . Nun, das soll noch nicht verraten werden, denn die Premiere der Neuinszenierung von Mozarts Oper "Die Entführung aus dem Serail" im Tölzer Marionettentheater wird erst am Samstagabend über die Bühne gehen.

Das Werk mit nur sechs handelnden Figuren und einer klar strukturierten Handlung gehöre zum Standardrepertoire eines jeden Puppentheaters, erzählt Albert Maly-Motta. Er hat es an den acht Theatern, an denen er tätig war, darunter Salzburg und München, wohl ein paar Hundert Mal gespielt. Eine bloße Wiederholung des so oft Gesehenen sei ihnen wenig sinnvoll erschienen, sagt er. "Deshalb wollten wir eine neue Sicht auf das Werk gewinnen. Dazu war eine Art Gehirnwäsche nötig."

Dieser unterzog sich Maly-Motta mit seiner Frau Caroline und Karl-Heinz Bille, mit dem gemeinsam er die Tölzer Bühne seit Mai 2000 betreibt. Vor fünf Jahren begannen sie damit, in endlosen Gesprächen am Küchentisch ein neues Konzept zu entwickeln. "Wir haben einen bildlichen Ansatz gefunden, der sich ohne orientalische Schnörkel und Palmwedel-Idylle aus der fast geometrischen Konstruktion der Handlung ergibt", erklärt Maly-Motta. Der Genfer Puppenbauer Pierre Monnerat wurde beauftragt, die dazu passenden Figuren zu schaffen. Entwürfe gingen hin und her, doch als die Puppen in Tölz eintrafen und begutachtet wurden, stellte sich heraus, dass nicht alles passte. Mit dem Blondchen habe er sich "richtig verhauen", gesteht der erfahrene Theaterchef. Die Figur bekam einen neuen Kopf und neue Hände. Auch die Kostüme wollten sich anfangs nicht ins minimalistische Bühnenbild fügen. Solch einen langen Vorlauf von fünf Jahren hatte noch keine Tölzer Premiere. Allerdings kam auch noch die Eröffnung des Planetariums im Februar 2014 dazwischen, das Maly-Motta ebenfalls betreibt. Doch nun, in der letzten regulären Probe vor der Premiere, sind alle guter Dinge.

Neben Maly-Motta und Bille sind vier ehrenamtliche Puppenspieler beteiligt, denen ein großer Einsatz abverlangt wird. Der Jüngste im Team ist Sebastian Hoyer, 20 Jahre alt und "wieder Schüler", wie er sagt. Nach einer Ausbildung im Finanz- und Steuerwesen, mit der er wenig glücklich war, holt er nun das Abitur nach, um einen Beruf zu finden, in dem er seine Kreativität ausleben kann. Mit 13 Jahren hatte er schon einmal ein Praktikum beim Marionettentheater gemacht - und ist irgendwie hängen geblieben. Nun spielt er jedes Wochenende und hat mindestens einen Probenabend in der Woche. Über ein Hobby geht das schon hinaus. In der "Entführung" ist der Belmonte seine Figur. "Bisher habe ich den immer geführt", erzählt Maly-Motta. "Es ist nicht ganz einfach, das abzugeben und loszulassen. Aber die Jüngeren müssen schließlich irgendwann einmal eingelernt werden." Und den geeigneten Nachwuchs zeitig selber heran zu ziehen ist fraglos eine kluge Entscheidung.

Eine Stabübergabe ist aber lange noch nicht in Sicht: "Ich habe das Gefühl, wir legen jetzt erst so richtig los", sagt Maly-Motta. Wer diese Inszenierung erlebt, wird ihm zustimmen. Es geht ein besonderer Zauber von ihr aus. Sie ist völlig konzentriert, fokussiert auf die wunderbare Musik Mozarts, die in unendlichen Facetten und Schattierungen alle Gefühlsregungen auszudrücken vermag, sowie die faszinierend differenzierten Bewegungen der Puppen. Mitunter scheint es gar, als wäre deren Ausdruckskraft der menschlicher Darsteller überlegen. Das ist die ganz hohe Kunst des Puppenspiels.

Die Premiere am Samstag, 20. Februar, ist bereits ausverkauft. Die nächsten Vorstellungen sind am 27. Februar und 19. März, nähere Informationen unter http://www.marionetten-toelz.de

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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