Preisverleihung:"Ein Gewinn für alle"

Lesezeit: 2 min

Ausgezeichnetes Projekt: Sabine Richter (rechts) hat das "Café Miteinand" im evangelischen Gemeindehaus mit gegründet. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Diakonie zeichnet das Café Miteinand in Bad Tölz für seine Anstrengungen zur Inklusion von Menschen mit Behinderung aus

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Tanja Rudolph und Sabine Richter haben es nicht leicht, das "Café Miteinand" in den Räumen der evangelischen Kirchengemeinde in Bad Tölz am Laufen zu halten. Das liegt alleine an der Corona-Krise. Nur wenige Monate, nachdem sie das Café im Dezember vorigen Jahres eröffnet hatten, mussten sie es heuer wegen der Pandemie lange schließen. Als sie es nach den Sommerferien wieder aufmachten, türmte sich gleich die zweite Infektionswelle auf. "Corona hat ein tiefes Loch in die Taschen gemacht," sagt Tanja Rudolph.

Da kommt das Preisgeld von 1000 Euro gerade recht. Die beiden Mütter, die selbst ein Kind mit einer Behinderung haben, erhielten für ihr Inklusionsprojekt den dritten Preis beim bayernweiten Wettbewerb der Diakonie zum Thema Teilhabe. "Das ist toll, da freuen wir uns wirklich", sagt Sabine Richter. Vor allem aber: "Unsere Kinder sind ganz hin und weg, dass wir den Preis bekommen haben."

Das "Café Miteinand" ist jeden Donnerstag von 8 bis 12 Uhr im evangelischen Gemeindezentrum geöffnet. Fünf Jugendliche von der durch die Lebenshilfe Bad Tölz getragenen Von-Rothmund-Förderschule und drei Schüler von der Montessori-Schule München bedienen dort die Kaffeemaschine, füllen Tabletts, servieren den Gästen Kuchen. Die Montessori-Schüler, die gerade ihren Abschluss gemacht haben und nun in die Berufsschule gehen, absolvieren in dem lichtdurchfluteten Café am Schützenweg ein Praktikum. Unterstützt werden sie von den beiden Leiterinnen und derzeit 13 ehrenamtlichen Mitarbeitern. Die Gäste sind bunt gemischt, Mütter kommen, ebenso alleinstehende Männer, auch mal Vertreter von Firmen. "Ohne unsere Gäste würden wir nicht leben können, ohne unsere Gäste würden wir Inklusion nicht leben können", betont Sabine Richter. Die Besucher erlebten in dem Café eine Zeit, die "entschleunigend" sei, einfach gemütlich. "Das ist ein Ort zum Wohlfühlen", unterstrich auch Sabine Landau, Vorständin der Bayerischen Diakonie und zuständig für die Fachbereiche Familie und Integration, bei der Preisverleihung im evangelischen Gemeindezentrum. In der Behindertenhilfe gehe es "nicht darum, Menschen, die außerhalb der Gesellschaft stehen, hereinzuholen", betont Lindau. Sondern: "Diese Menschen sind Teil der Gesellschaft." Das "Café Miteinand" sei unter diesem Aspekt eine vorbildliche Initiative, die eine echte Teilhabe für Menschen mit Behinderung ermögliche. "Was ich hier sehe, ist beeindruckend", würdigte Landau. Nicht zuletzt die ehrenamtlichen Kräfte leisteten dazu einen wesentlichen Beitrag.

Auch wenn sie die Räume bereit stellt, so versucht Dekan Martin Steinbach doch nicht, der evangelischen Kirchengemeinde große Meriten am Zustandekommen des Inklusionsprojekt zuzuschreiben. Tanja Rudolph und Sabine Richter seien auf die Idee gekommen, dieses Café zu gründen, und auf der Suche nach einer Adresse zu Pfarrer Johannes Schultheiß gegangen, erzählt er. "Wir haben nicht mehr machen müssen, als die Räume zur Verfügung zu stellen und all das zu genießen, was passiert", sagt Steinbach. Das preisgekrönte Projekt passe gut ins Haus, "das ist ein Aushängeschild für uns". Außerdem kündigte Steinbach an, die Räume des Gemeindezentrums "ein wenig anzupassen". Das Gebäude hat zwar einen barrierefreien Eingang und einen Aufzug, aber keine behindertengerechten Toiletten. Die WC-Anlage wolle man so erweitern, dass auch Rollstuhlfahrer problemlos hineinkommen, sagt der Dekan.

Die Stadtverwaltung war bei der Preisübergabe ungewöhnlich prominent vertreten: Bürgermeister Ingo Mehnert (CSU), sein Stellvertreter Michael Lindmair (FWG) und Wirtschaftsförderin Sandra Kern waren zu dem kurzen Festakt gekommen, der wegen Corona unter strengen Hygiene- und Abstandsregeln stattfand. "Wir wollten den Termin nicht abdecken, wir wollten ihn wahrnehmen", sagt Mehner. Abseits der Inklusion ist das Café Miteinand für ihn einfach "ein gutes, schönes und herzliches Café", in dem der Besucher ein ordentliches Frühstück bekommen könne. "Es ist ein Gewinn für alle, die es nutzen", so der Rathaus-Chef.

© SZ vom 24.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: