Politik in Gaißach:Agenda einer Idylle

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Die Flächengemeinde Gaißach wächst, im vergangenen Jahr gab es gar einen neuen Geburtenrekord. Das stellt die Kommune vor millionenschwere Herausforderungen bei der Infrastruktur. Die reichen vom Wohnungsbau über schnelles Internet bis zur Kinderbetreuung

Von Klaus Schieder, Gaißach

In der dörflichen Idylle von Gaißach mit ihren Bauernhöfen und gemütlichen Wohnhäusern, den kleinen Handwerksbetrieben, dem Kindergarten und der Schule, der schönen Natur dazwischen und ringsum lässt es sich gut leben. Das legt jedenfalls die Geburtenrate nahe. Schon seit sechs Jahren kommen in der Gemeinde mit ihren gut 3100 Einwohnern zwischen 30 und 35 Kinder auf die Welt, voriges Jahr waren es sogar 50. "Ein absoluter Rekord", freut sich Bürgermeister Stefan Fadinger (CSU/FWG). Allerdings einer, der Taten von der Kommune verlangt: Für rund 4,2 Millionen Euro baut sie ihren Kindergarten im Ortsteil Obergries um und aus. Dies ist das größte Projekt, das in Gaißach im neuen Jahr ansteht.

Auf dem Gelände an der Isarstraße soll im ersten Bauabschnitt ein Neubau für zwei Gruppen entstehen. Wenn er fertiggestellt ist, ziehen die Kindern mit ihren Erzieherinnen dorthin um. Danach wird das alte Gebäude, das noch aus den 1930er Jahren stammt und früher einmal das Schulhaus war, abgerissen; der 2012 nebenan errichtete Trakt bleibt freilich stehen. An dem Altbau sei ja "immer wieder hingeflickt" worden, erzählt Bürgermeister Fadinger. Wenn das Bauprojekt abgeschlossen ist, wird Gaißach nicht mehr vier, sondern fünf Kindergartengruppen haben, und zwei statt einer Krippengruppe. Anders ausgedrückt: Die Gemeinde bietet dann insgesamt 125 Kindergartenplätze und 24 Krippenplätze an.

So schnell wird das allerdings nicht der Fall sein. Die Gemeinde stimmt erst einmal ihre Eingabeplanung mit dem Kreisbauamt ab, wie Fadinger berichtet. "Wir brauchen schon zwei, drei Jahre, bis es komplett fertig ist." Noch ein Ausbau sei auf dem Areal des Kindergartens künftig nicht mehr möglich. "Das Grundstück ist dann ausgereizt, da wird auf absehbare Zeit nichts mehr passieren", sagt der Bürgermeister. Da jedoch Trockenbauwände als Zwischenwände vorgesehen sind, könne man in den Gebäude "relativ einfach eine Änderung vornehmen".

Der Kindergarten St. Michael in Gaißach soll einen Neubau für zwei Gruppen bekommen. Geschätzte Kosten: rund 4,2 Millionen Euro. (Foto: Manfred Neubauer)

Erst vor drei Jahren hatte die Kommune das Einfamilienhaus gekauft, das gleich neben dem Rathaus liegt. Und zwar für den Förderverein der Schulen im Isarwinkel. Der unterhält dort eine seiner "Spatzennest"- Spielgruppen für Kleinkinder, nachdem es 2017 zum Zerwürfnis mit der Gemeinde Lenggries gekommen war. Dort werden Buben und Mädchen im Alter von 18 Monaten an bis zu drei Vormittage pro Woche betreut, um ihnen auch das Einleben später in einem Kindergarten oder einer Krippe zu erleichtern. "Wir stellen das Haus komplett kostenfrei zur Verfügung, mit Strom und Heizung", sagt Fadinger.

Auf der Agenda hat Gaißach auch den Neubau einer Zweifach-Turnhalle an der Mittelschule in Wetzl. Sie soll etwas abgesetzt vom Schulgebäude und der alten Einfachhalle entstehen, mit ihnen zusammen bildet sie dann eine Art lockere U-Form. Die Grund- und Mittelschule Gaißach gehört mit der Tölzer Südschule und mit Lenggries zum Mittelschulverbund Isarwinkel, sie bietet die M-Klassen der neunten und zehnten Jahrgangsstufe an. Für die etwa 300 Schülerinnen und Schüler gibt es jedoch bloß eine Einfachhalle mitsamt einem alten Gymnastikraum. Ballspiele sind dort nur eingeschränkt möglich. Das soll sich mit der neuen Zweifachhalle ändern, die dann auch vom Skiclub Gaißach mit seinen Sparten wie Fußball, Handball oder auch Ski mitbenutzt werden kann. In der alten Halle habe die Schule am Stundenplan schon ziemlich herumbasteln müssen, sagt Fadinger. Und der SC warte "auch schon sehnsüchtig" auf eine neue Halle, weil seine Sportler oftmals in Bad Tölz oder Reichersbeuern üben müssen. Einen Architekten hat die Gemeinde schon gefunden, heuer soll es an die Planung gehen. "Das ist schon sehr aufwendig, in der Vorbereitungsphase muss viel abgestimmt werden, damit alles reibungslos funktionieren kann", so der Bürgermeister. Wenn alles gut läuft, soll der Bau im Frühjahr 2021 beginnen. Die Kosten dafür sind noch unklar. Was mit der alten Turnhalle geschieht, steht ebenfalls nicht fest. "Wir lassen sie vielleicht als Reserve frei, mal sehen, wohin sich die Schullandschaft entwickelt", meint Fadinger.

Das dritte Projekt ist ein Wohnhaus für soziale benachteiligte Familien am Bacher Wald in Obergries. Darin sollen drei, etwa 115 Quadratmeter große Domizile entstehen. Sozialen Wohnungsbau hatten Fadinger und der Gemeinderat schon im Auge, als die Explosion der Mietpreise noch nicht zum Dauerthema der Politik und der Medien zählte. 2014 errichtete die Kommune ein Sechsfamilienhaus für Leute, die sich nicht viel leisten können. Damals, sagt Fadinger, sei er von einigen Bürgermeisterkollegen noch belächelt worden. Das sei doch nicht die Aufgabe einer Gemeinde, hieß es. Manche Rathauschefs dürften ihre Meinung ob der exorbitanten Immobilienpreise im Oberland inzwischen revidiert haben. Das neue Wohnhaus liegt ein wenig nördlich des Kindergartens, nahe am Bahnhof Obergries. Es soll im Frühjahr 2021 bezugsfertig sein. Die Kosten dafür belaufen sich auf rund 600 000 Euro.

Eine neue Zweifach-Turnhalle soll die Grund- und Mittelschule Gaißach bekommen. Was dann mit der alten Einfachhalle (re.) geschieht, ist noch unklar. (Foto: Manfred Neubauer)

Viel Geld hat Gaißach in den vergangenen Jahren in den Ausbau des Breitbandnetzes gesteckt. 2019 wurden die Glaserfaserleitungen von Unterbaut bis Untersberg sogar bis in die Häuser hinein verlegt, das war zuvor die am schlechtesten mit flottem Internet versorgte Gegend von Gaißach. Nun müssen die Einwohner laut Fadinger allerdings noch auf die Freischaltung warten. Die meisten Haushalte in Gaißach haben eine Geschwindigkeit von 30 Megabit pro Sekunde. "Alle anderen, die darunter waren, haben wir abgearbeitet", so Fadinger. "Wir habe es uns zur Aufgaben gemacht, bei jeder Tiefbau- oder Straßenbaumaßnahme die 'Speed Pipes' mit zu verlegen für spätere Telekom- oder Vodafone-Vorhaben." Geplant ist auch eine Verbindung zwischen dem Rathaus und der Schule in Wenzl. Die Kommune eruieren gerade, ob es dafür Gelder über den Bildungspakt Bayern gebe, berichtet der Bürgermeister: "Wir prüfen, ob das möglich ist, wir wollen die Schule ans Glasernetz bringen."

Gut angenommen wird der Handwerkerhof, den die Gemeinde voriges Jahr auf einer Gesamtfläche von circa 1200 Quadratmetern eröffnete. Unten Werkstätten, oben Büros - das Mietangebot nehmen vor allem Handwerker wie etwa Fliesenleger in Anspruch, die nur wenig Material lagern müssen. Einzogen sind auch Klimatechniker, Fuhrunternehmer oder eine Podologin. Ziel war es zum einen, jungen Firmengründern einen Sitz zu einer verträglichen Miete zu bieten, wie Fadinger sagt. Eine Rolle spielte zu anderen auch der Flächenverbrauch. Zum Beispiel, wenn Handwerksfirmen mit viel Kapital ein großes Gebäude errichten, das sie dann untervermieten müssen. Das dürfte auch der Dorfidylle von Gaißach nicht so gut bekommen.

© SZ vom 21.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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