Politik in Bad Tölz:Stiller Abgang, komplexer Start

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Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dürfte es für neu gewählte Bürgermeister nicht mehr so kompliziert gewesen sein, ihr Amt anzutreten. In Bad Tölz etwa hat Ingo Mehner kaum Zeit für eine Kennenlernphase. Zu den Corona-Problemen feilt er bereits an einer dreiteiligen Strategie

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Es ist ein Abschied im Leisen. Zwölf Jahre lang hat Josef Janker (CSU) als Bürgermeister die Geschicke der Stadt gelenkt, aber am Ende bleibt es ihm vermutlich versagt, offiziell ein Resümee zu ziehen und der Bevölkerung Adieu zu sagen. Eine Gelegenheit dazu hätte die Bürgerversammlung geboten, eine andere die letzte Sitzung des alten Stadtrats am 28. April. Beide Veranstaltungen mussten wegen der Corona-Krise jedoch abgesagt werden. "Aber mein Gott, so ist das jetzt eben", sagt Janker. Sein Nachfolger Ingo Mehner (CSU) hatte sich die sechs Wochen zwischen Kommunalwahl und Amtsantritt auch ganz anders vorgestellt. Im Detail habe er sich überlegt, wie er diese Zeit nutzen werde, sagt Mehner. Nun aber werde "alles vom Thema Corona dominiert".

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dürfte es für neu gewählte Bürgermeister nicht mehr so kompliziert gewesen sein, ihr Amt anzutreten. Normalerweise lernen sie im Rathaus erst einmal alle und alles kennen, lassen sich in Ruhe in Dokumente und Vorgänge einweihen. Dafür ist jetzt kaum Zeit. Es geht um Unternehmen und Geschäfte, die durch den Stillstand um Existenz bangen, es geht um den kommunalen Haushalt, der durch die Pandemie völlig durcheinander gewirbelt wurde, es geht um viele Einzelentscheidungen, die dieser Tage getroffen werden müssen. Die Corona-Krise sei "eine riesige Herausforderung", sagt Mehner: "Nicht nur für den Bürgermeister, auch für jeden Unternehmer, jeden Arbeitgeber."

Dabei ist völlig unklar, wie der Etat der Stadt künftig aussehen wird. Der neue Bürgermeister rechnet auf jeden Fall mit "massiven Einnahme-Ausfällen". Ob er eine Haushaltssperre verhängen wird, wie Kämmerer Hermann Forster gerade im Stadtrat ins Gespräch brachte, weiß er noch nicht. "Ich fürchte, das momentan noch nicht im Ansatz abzusehen ist, was in vier Wochen sein wird", sagt Mehner. Man müsse die Lage beobachten.

Eine Art Strategie hat sich der neue Rathauschef allerdings schon zurecht gelegt. Er spricht von einem "Dreiklang" an Maßnahmen. Erstens: Soforthilfe. So sollen Tölzer Unternehmen die Steuern gestundet werden. Im Rathaus sollen die Arbeitsplätze so umorganisiert werden, dass "möglichst wenige Kontaktpunkte" entstehen. Zweitens: Finanzlage. Angesichts des hohen Verlusts bei den Steuereinnahmen, mit dem die Stadt rechnen muss, geht es für Mehner um die Frage, wie dieses Defizit zu kompensieren sei. "Wir müssen das Geld, das wir noch haben, intelligent einsetzen." Darüber werde nachgedacht, sagt er. So etwas wie eine Prioritätenliste hat er momentan nicht. "Wir können jetzt noch nicht abschließende Maßnahmen präsentieren." Drittens: Zukunft. Für den Bürgermeister bedarf es auch eines Plans, wie die Wirtschaft in Bad Tölz nach dem Ende des Lockdown wieder ins Laufen kommen soll. Ob Hotel, Firma oder Laden - "je länger es dauert, desto problematischer wird es wirtschaftlich". Die Gefahr, dass zum Beispiel eine ganze Reihe von Geschäften in und außerhalb der Fußgängerzone pleite geht, sieht er durchaus, mag sie jedoch nicht heraufbeschwören. Nötig sei "ein Riesen-Kraftakt", um die soziale und die wirtschaftliche Rückkehr zu sichern, so Mehner. Dabei könne die Stadt nicht wie die Bundesregierung Geld mit der Gießkanne verteilen. "Wir müssen schauen, inwieweit wir Infrastruktur zur Verfügung stellen", sagt er. Als ein Beispiel nennt er die Internetseite www.unser-toelz.de, die von der Agentur bytefire.de, dem Unternehmerverein "Wir für Tölz" und der Wirtschaftsförderung der Stadt auf die Beine gestellt wurde. Dort bieten Restaurants, Einzelhandelsläden, Dienstleistungsfirmen und Bekleidungsgeschäfte ihr Sortiment zum Bestellen und Liefern an.

Zur Corona-Taskforce, die alle zwei Tage im Tölzer Rathaus zusammentritt, gehört auch der scheidende Bürgermeister. Mit vielen guten Ratschlägen liegt er seinem Nachfolger allerdings nicht in den Ohren, wie er erzählt. Er halte das wie mit seinem Sohn in der eigenen Baufirma, sagt Janker. "Ich bin jederzeit für ihn erreichbar, aber aktiv mache ich nichts." Wenn man nicht mehr zu sagen habe, solle man trotzdem still sein.

Ein kleines Resümee seiner zwei Amtszeiten hatte er in der Weihnachtssitzung und auch in der März-Sitzung des Stadtrats gezogen. Gemeinsam habe man trotz aller Auseinandersetzungen stets Traditionen bewahrt und viel Neues geschaffen, sagte er: "Wir haben Bad Tölz als offene, liebenswerte und moderne Kommune weiterentwickelt." Für die Zukunft wünschte er, dass die Leute in Bad Tölz zusammenhalten und "Gemeinsinn vor Eigennutz stellen". In seinem persönlichen Rückblick kommt auch manches vor, das kaum oder gar nicht an die Öffentlichkeit gelangte. So zeigt sich Janker stolz auf kostenlose Kinderschwimmkurse der Stadt, die er im Hallenbad eingeführt hat - "jedes Jahr lernen rund 80 Kinder das Schwimmen". Und er erinnert sich vergnügt an die fassungslosen Gesichter seiner Abteilungsleiter, als er ihnen vor zwei Jahren intern die Idee vortrug, eine Seilbahn von der Flinthöhe über den Bahnhof, den Kalvarienberg und den Isarkai bis hin zum Blomberg zu bauen. "Sie haben gesagt, du bist ja wahnsinnig." Gescheitert ist die Überlegung dann schon am gestrengen Denkmalschutz in Tölz.

Eine richtige Abschiedsrede hat der scheidende Bürgermeister Josef Janker nach zwölf Jahren Amtszeit nicht mehr halten können. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Solche Geschichten muten mittlerweile wie aus einer anderen Zeit an, einer unbeschwerten Welt. Ob und wann Janker und viele altgediente Stadträte wie etwa Anton Heufelder oder Ludwig Bauer noch einen offiziellen Abschied bekommen, weiß der neue Bürgermeister derzeit nicht zu sagen. Ja, meint Mehner, er wolle schon "eine vernünftige Möglichkeit" dafür finden. Aber er stellt auch klar: "Das ist auf der Prioritätenliste jetzt weit hinten." Der Abgang seines Vorgängers könnte ganz still ausfallen.

© SZ vom 16.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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