Politik in Bad Tölz:Eine Stadt als Spielwiese

Lesezeit: 4 min

Skatepark Tölz: Peter Aschenbrenner weiß die Halfpipe zu nutzen. (Foto: Manfred Neubauer)

Eine Umfrage unter Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen soll dem Tölzer Stadtrat bei einem besonderen Projekt helfen: Den urbanen Raum mit individuellen Freizeitmöglichkeiten zu gestalten. Noch bis zum Ende der Ferien kann jeder mitmachen.

Von Miriam Kinzl

Wie ein Ninja den Weg zur Schule abkürzen, indem man von Trampolin zu Trampolin springt? Oder als Jugendlicher mit dem Skateboard die Hurstbridge-Halfpipe rocken? Erwachsene werfen vielleicht lieber nach Feierabend eine Frisbeescheibe im Park. Noch hat Bad Tölz ein eher beschauliches Image. Wenn es aber nach dem Willen von kleinen und großen Bürgern geht, dann könnte die Isar bald zum Revier von Flusspiraten werden und vielen weiteren Räumen Platz für Fantasie und Freizeitspaß bieten. Aktuell gibt es zehn Spielplätze in Bad Tölz. Davon sind neun in einem nutzbaren Zustand. Aber die Stadt soll "bespielbarer" werden. Dazu läuft derzeit ein besonderes Projekt. Eine Umfrage unter Kindern und Jugendlichen in Kombination mit einem Statusbericht bilden das Basiskonzept. Die gesammelten Daten werden dem Stadtrat als Entscheidungsgrundlage für die zukünftige Gestaltung von Spielräumen dienen.

Es geht bei der Ideensammlung eben nicht nur um den klassischen Spielplatz mit Rutschbahn und Schaukel. "Wir wollen aktiv sein!", so Bürgermeister Ingo Mehner (CSU). Die verschiedenen Zielgruppen beteiligen sich auf ihre Art an der Ideensammlung. Jugendliche nutzten digitale Kanäle und reichten ihre Vorschläge über das Smartphone ein. Vor den Ferien beteiligten sich Schulklassen und überlegten im Unterricht, wie Bad Tölz bespielbarer werden könnte. Auch Familien nahmen mit ihren Ideen teil. Jüngere Kinder malten fantasiereiche Bilder von ihren Traumspielplätzen. Von der Seepferdchenwippe bis zu einem Wasserlauf ist in der Vision eines Kindes von einem Wasserthemenspielplatz alles durchdacht.

Jugendlichen dagegen ging es vor allem um den Skatepark. Sie beschrieben sehr detailliert, welche neuen Kurven sie sich vorstellten. "Hurstbridge-Halfpipe" und "Salem-Flat-Kicker-Rampe" wünschen sich Skater nach Bad Tölz. "Es geht nicht darum, Dinge zu tun, die dem Bürgermeister gefallen, sondern die den Bürgerinnen und Bürgern gefallen", betont Mehner. "Dafür schaffen wir mit der Postkartenaktion eine breite Informationsbasis." Dann könne die Stadt einzelne Flächen für einzelne Aktivitäten finden, ohne sich gegenseitig zu stören. So plant der Bürgermeister zum Beispiel, die Pfeiler unter der Isarbrücke als legale Graffiti-Spraywand freizugeben.

Der Begriff "bespielbar" müsse nicht Lärm und Zerstörung bedeuten, erklärt er. Unter das Wort fallen auch Sportstätten wie Fußballplätze, Tartanbahnen und Beachvolleyballplätze. Der an der Südschule wird aber "immer wieder als Müllhalde missbraucht", beschreibt die Tölzer Pressesprecherin Birte Otterbach eine nach wie vor aktuelle Problematik. Es sei aufwendig und teuer, den Sand von Glasscherben zu reinigen. "Nicht nur Jugendliche nutzen den Platz", betont Otterbach. Und auch auf der Tartanbahn beschädigen Radler, die darauf Rennen veranstalten, das Material. "Dafür sind Tartanbahnen nicht gemacht und der Rasen auf Fußballplätzen wird immer wieder zerstört", zählt sie auf. Der Schutz gegen Vandalismus stehe dem Bedürfnis nach öffentlich zugänglichen Sportstätten gegenüber. "Es braucht mehr Sensibilität, wie wir die Plätze schützen und verantwortungsvoll nutzen können", fasst Otterbach zusammen. Wenn ein Sportplatz am Sonntag geöffnet wäre, werde es natürlich auch laut.

Ob es sich bei der Wahrnehmung von Lärm um einen Generationenproblem handle, verneint Bürgermeister Mehner: "Ich denke, in erster Linie ist das kein Generationenkonflikt, eher ein Erwartungskonflikt." Menschen zögen mit konkreten Vorstellungen nach Bad Tölz, viele hätten zum Beispiel ein starkes Ruhebedürfnis. "Keiner will Lärm, Verschmutzung und Vandalismus - aber Aktivität. Kommunikation ist wie immer wichtig. Wir wollen auch Aktivität in Bad Tölz".

Dass die Kurstadt kein verträumtes Städtchen sein will, nimmt Mehner bei einem Großteil der Bürgerinnen und Bürger wahr. "Wir wollen positive Aktivität unterstützen", stellt er klar. Er will die Menschen dazu animieren, auch mal im Kurpark Federball zu spielen oder eine Frisbeescheibe zu werfen. "Die eigenen Möglichkeiten innerhalb der bestehenden Räume auszuschöpfen ist kostenlos und leicht umsetzbar. Bei der Erneuerung eines Spielplatzes sind wir dagegen schnell im sechsstelligen Bereich", so Mehner. Da brauche es Zustimmung im Stadtrat, um so ein Projekt umzusetzen.

Das Planungsbüro "Die Stadtentwickler" erstellt gerade einen Bericht über die Spielplatzsituation in Bad Tölz. Dieser orientiert sich an den gesetzlichen Vorgaben der bayerischen Bauordnung. Ab wie vielen Wohneinheiten und in welchem Abstand zu einem Wohngebiet es zum Beispiel einen Spielplatz geben muss, erklärt Annegret Michler, Architektin, Städteplanerin und Büroinhaberin der Stadtentwickler. Die Auswertung von geografischen Informationssystemen, kurz GIS genannt, habe ergeben, wo in Bad Tölz Bedarf bestehe. "Unterschieden wird dabei in Angebote für die Altersgruppen null bis sechs und sechs bis zwölf Jahre. Im Bericht wird das dann auf einer Karte dargestellt." Zusätzlich bewerten die Städteplaner jeden Spielplatz einzeln, um auch die Qualität der vorhandenen Spielräume zu berücksichtigen. "Wir wollen allerdings nicht nur den gesetzlichen Rahmen erfüllen, sondern durch die Mitwirkung die Stadt Bad Tölz kinder- und jugendfreundlich gestalten", hebt Städteplanerin Michler hervor. "Einen Wasserspielplatz gibt es in Bad Tölz bisher nicht." Zwischen Eltern und Kindern herrsche Einigkeit, dass Bad Tölz einen Spielplatz zum Thema Wasser brauche. Die Isar bietet einen natürlichen Raum, um am Wasser zu spielen. Die Städteplanerin überlegt, ob zusätzliche Wasserspielgeräte notwendig wären. "Hier ist die Mitwirkung von Eltern und Kindern wichtig, um möglichst demokratisch und gemeinsam zu bestimmen, was passiert", stimmt sie Mehners Ansatz zu. Die Postkartenaktion sei eine erste Sammlung, geplant seien weitere Beteiligungsmöglichkeiten. So könnte zum Beispiel eine Grundschule die Gestaltung eines Spielplatzes übernehmen, überlegt Annegret Michler. Den Statusbericht der Stadtentwickler und die Beiträge der Postkartenaktion wird Franz Spät von der kommunalen Sozialplanung im Herbst strukturieren. Bürgermeister Mehner wird das Ergebnis dann im Stadtrat vorstellen. Er erhofft sich Unterstützung, da das Thema den Nerv vieler Stadträte treffe. Im Herbst wird auch der Nachtragshaushalt besprochen und beschlossen. Da das Coronavirus den Haushalt der Stadt geschwächt hat, ist bisher unklar, welche finanziellen Ressourcen in diesem Jahr für die "bespielbare Stadt" vorhanden sein werden. Das Konzept soll helfen, langfristig - immer an die aktuelle Haushaltslage angepasst - auf die Bedürfnisse der Tölzerinnen und Tölzer einzugehen, stadtteilübergreifend und unabhängig von Generationen und sozialen Schichten. "Mein Ziel ist es, weiter Leben in die Stadt zu bringen", sagt Mehner. "Ich lehne mich aber nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich heute schon sage, dass wir in eine sinnvolle Freizeitgestaltung unserer Jugendlichen regelmäßig einen vernünftigen Betrag investieren sollten."

Da geht doch noch was bei den bestehenden Spielplätzen in Bad Tölz. (Foto: oh)

Noch bis zum Ende der Sommerferien können Kinder und Jugendliche Postkarten mit ihren Ideen bei der Stadt Bad Tölz einreichen. Erhältlich sind die Postkarten in der Poststelle des Rathauses Am Schloßplatz 1 zu den Öffnungszeiten des Rathauses.

Die Ideen können postalisch an folgende Adresse gerichtet werden: Stadt Bad Tölz, Öffentlichkeitsarbeit, Am Schloßplatz 1, 83646 Bad Tölz, oder per E-Mail an pressestelle@bad-toelz.de. Die Öffnungszeiten des Rathauses sind Montag 8 bis 12 Uhr und 14 bis 18 Uhr, Dienstag bis Freitag 8 bis 12 Uhr. Postkarten gibt es auch im Jugendcafé in der Hindenburgstraße und im Bürgerhaus in der General-Patton-Straße.

Erste kreative Ideen sind schon bei der Stadt eingegangen. (Foto: oh)
© SZ vom 29.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: