Politik in Bad Tölz:Ein Etat ohne Wert

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Der alte Tölzer Stadtrat stimmt dem Haushalt 2020 zu, der durch die Corona-Krise überholt ist. Das neu gewählte Plenum muss nun eine Prioritätenliste aufstellen. Kämmerer Forster regt eine Haushaltssperre an

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Es dürfte in der Geschichte des Tölzer Stadtrats noch nicht vorgekommen sein, dass in den Beratungen zum Haushalt nur eine einzige Zahl genannt wurde. Aber in den Zeiten der Corona-Krise ist eben alles anders. Sie trifft die alte Kurstadt ausgerechnet in einem Jahr, in dem sich ungewöhnlich viele Projekte auftürmen, die schon begonnen haben oder für die nächsten Jahre geplant sind. Rund 16,3 Millionen Euro seien im Vermögenshaushalt heuer für Investitionen vorgesehen, sagte Kämmerer Hermann Forster am Dienstagabend im Stadtrat. Dies war die eine Zahl. Sie ist inzwischen Makulatur. Der neue Bürgermeister Ingo Mehner (CSU) werde eine Haushaltssperre anordnen, der neue Stadtrat über einen Nachtragshaushalt abstimmen müssen, sagte Forster.

An dem neuen Etat wird in der Kämmerei schon mit Hochdruck gebastelt. Für Forster besteht kein Zweifel daran, dass sich die Stadt künftig auf Kernaufgaben und auf begonnene Projekte fokussieren muss. Welche Vorhaben fortgeführt und welche erst einmal verschoben werden sollen, dazu machte er keine Angaben.

Niemand vermag derzeit vorherzusagen, wie sich die Pandemie genau auf die Einnahmen der Stadt aus Steuern und Beiträgen auswirken wird. Sicher ist zum Beispiel, dass der viergruppige Kindergarten auf dem Gelände der Jahnschule gebaut wird. Dafür wurden ja bereits Aufträge vergeben. Völlig unklar bleibt hingegen, ob und wann die 60 Jahre alte Lettenholzschule neu errichtet oder zumindest saniert werden soll. "Aber ich will nicht irgendeine Maßnahme herausgreifen", sagte der Kämmerer. Das Ausmaß der "Corona-Bombe" sei derzeit unkalkulierbar, weshalb die Arbeit am Nachtragshaushalt noch mit "einer gewissen Ziellosigkeit"stattfinde. All dies sei "kein Zuckerschlecken für eine Verwaltung im Notbetrieb", berichtete Forster. Aber ohne Alternative, "wenn wir den Aufschlag nach dem freien Fall bewältigen wollen".

Allerdings mochte er seinen Bericht nicht bloß in Schwarz tauchen. Er erinnerte daran, dass auch sein Vorgänger Hugo Zimmert in den Neunzigerjahren vor großen Herausforderungen gestanden hatte, sei es wegen der hohen Arbeitslosigkeit, sei es ob der unsteten Konjunktur. Auch damals mussten Projekte gestrichen werden, etwa das Völkerkundemuseum im alten städtischen Krankenhaus oder die Generalsanierung des Eisstadions an der Peter-Freisl-Straße, das dann später auf der Flinthöhe neu gebaut wurde. In den vergangenen Jahren habe Bad Tölz viel auf den Weg gebracht, ohne Schulden zu machen oder die Rücklagen zu plündern, sagte Forster. Der alte Stadtrat hat nach seinem Dafürhalten eine "gesunde Finanzpolitik" mitgetragen, wofür er sich vor allem bei den ausscheidenden Mandatsträgern ausdrücklich bedankte. Der Kämmerer äußerte die Hoffnung, das der "Corona-Wahn" die nächsten Haushalte nicht infizieren werde: "Ein maßvolles Fieber wäre zu verkraften, eine Lungenentzündung und eine Beatmung hätten weitreichende Folgen." Und er gab sich schlussendlich auch ein wenig zuversichtlich: "Ich denke, dass wir es trotzdem schaffen werden, die Stadt in geordnete Bahnen zu bringen."

Bürgermeister Josef Janker (CSU) leitete am Dienstag vermutlich seine letzte Stadtratssitzung. Die nächste Zusammenkunft des alten Plenums ist zwar für Dienstag, 28. April, angesetzt, dürfte jedoch wegen der Corona-Krise so gut wie sicher ausfallen. Vor ihm saßen jeweils sechs Stadträtinnen und Stadträte auf der linken und der rechten Seite des Rathaussaals, in der Mitte nochmals sechs an eigens aufgestellten Tischen. Weitere sechs Mandatsträger waren verabredungsgemäß nicht gekommen. Nur mit dieser Sitzordnung ließ sich der Sicherheitsabstand von zwei Metern zwischen den Teilnehmern gewährleisten. "Das ist eine eigentümliche Sitzung", sagte Janker. Der Saal sehe beinahe so aus wie ein Klassenzimmer, in dem eine Prüfung geschrieben werde. Zur Finanzlage sagte Janker nicht viel. Nur dies: "Wer den Haushalt in Zukunft stemmen will, darf die Erkenntnisse und die Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht vergessen."

Und noch etwas war ungewöhnlich. Die Haushaltsdebatte ist normalerweise die Stunde der Fraktionen: Ihre Sprecher stellen in ihren Reden die eigenen Prioritäten für die Zukunft von Bad Tölz heraus und üben mehr oder weniger Kritik an der Rathauspolitik. Diesmal stand nur Martin Harrer (FWG) auf, um im Namen aller ein kurzes Statement abzugeben. Auch wenn die Zahlen inzwischen überholt seien, werde man dem Haushalt 2020 zustimmen, sagte er. Das geschah denn auch einstimmig. Kommunalrechtlich wurde damit die haushaltslose Zeit beendet.

Harrer hob hervor, dass die Zeit der Wohlfühlhaushalte in Bad Tölz durch die Corona-Krise beendet sei. "Solche Superlative sind nicht mehr zu erwarten." Allerdings seien sich die Fraktionen sicher, dass auch der neue Stadtrat mit einer vorsichtig agierenden Kämmerei weiterhin die Geschicke der Stadt "super lenken" werde, so Harrer. Damit war er auch schon am Ende angelangt. Nur eines noch: "Ich sage einfach, bleibt gesund."

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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