Poesie in Wort und Ton:Hier slammt die Klassik

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Das "Kuss Quartett" und der Wortakrobat Bas Böttcher

Von Susanne Hauck, Icking

Jana Kuss packt sich den Bogen. Ruppig schabt sie damit über ihr Instrument, als wolle sie die Geige nicht spielen, sondern durchsägen. Ratsch, ratsch, so hört sich das an. Mehr Geräusch als Melodie. Ein Ruck geht durchs Publikum. Hoffentlich reißt die Saite nicht. Und das war erst der Anfang. Ihre Mitmusiker stehen ihr in nichts nach: zupfen, klopfen, tupfen und malträtieren ihre Instrumente auf jede erdenkliche Weise, mit dem Bogen, mit der Stange, mit den Fingern.

Jana Kuss (Violine), Oliver Wille (Violine), William Coleman (Viola) und Mikayel Hakhnazaryan (Violoncello), die zusammen als Kuss Quartett auftreten, sind Rebellen im klassischen Streichquartett. Sie spielen eben nicht immer und immer wieder die Klassiker wie Beethoven und Brahms, sondern auch die jungen Wilden wie Helmut Lachenmann und György Kurtág - Komponisten, die den Musikern abverlangen, die traditionellen Spieltechniken begeistert über den Haufen zu werfen. Das Kuss Quartett verlässt gern die ausgetretenen Wege, findet zum Beispiel nichts dabei, auch mal im Techno-Club aufzutreten.

Beim Eröffnungsabend des Streichquartett-Festivals "Ickinger Frühling" traten sie am Freitag mit dem bekannten Slam-Poeten Bas Böttcher im Saal des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums auf. Böttcher holt Rhythmus und Melodie aus Texten. Was er macht, ist so etwas wie intelligente Wortakrobatik. Wer schon einmal den Ickinger Sprachkünstler Peter Spielbauer auf der Bühne erlebt hat, weiß, wie sich das anhört. Böttcher legt los, und das gleich in einem Tempo, dass das Hirn kaum mitkommt. Er spricht Texte im Walzertakt, verdreht Buchstaben, spielt mit Doppelwörtern, verfängt sich in Wortschleifen, drechselt aus "Wollust" "Lustwolle" und aus "Versager" "Verse-Sager". Immer wieder gibt es "Bravo"- Rufe aus dem Publikum für das geistreiche Wort-Feuerwerk.

Dazwischen sind wieder die exzellenten Musiker an der Reihe, die der Kammermusik eine zeitgemäße Note geben. Statt im Quartett spielen sie mal solo, mal als Duo oder Trio - und die Musiker finden nichts dabei, sich einfach mal in eine Ecke des Konzertsaals zu setzen. Zum Finale gibt es einen Beethoven, den sie natürlich aus dem Effeff beherrschen, dabei loten sie aber mit einem energiegeladenen Spiel und vielen abrupten Wechseln das Maximum an interpretatorischer Freiheit aus.

In der Pause bestürmen viele Zuhörer Geigerin Jana Kuss mit Fragen über die modernen Stücke von Kurtág und Lachenmann. Existieren zu diesen schrägen Tönen überhaupt Notenvorlagen, wollen sie wissen, oder ist es doch reine Improvisation? Nein, antwortet Kuss, es sei alles in einer Legende haarklein aufgeschrieben. "Bei Lachenmann etwa heißt es, dass man mit der Bogenschraube vor den Steg tippen muss, oder mit der Stange auf die Saite, aber ja nicht irgendwo." Die Tonhöhe sei vorgegeben, und die müsse man finden. "So spielen zu lernen ist recht schwierig für einen klassisch ausgebildeten Geiger."

Dass es diesem Streichquartett nicht darum geht, seine Zuhörer vor den Kopf zu stoßen, sondern ihnen eine neue Welt des Hörens zu eröffnen, hat im Saal jeder verstanden. Überhaupt treffen die Künstler auf ein äußerst aufgeschlossenes Publikum, das sich bereitwillig auf dieses Musikabenteuer einlässt und einen Heidenspaß mit den Wortverdrehungen Bas Böttchers hat. Es zeigt sich, dass man bei diesen fantasievollen Klangwelten intensiver hinhört als bei perfekt interpretierten Paradestücken der Kammermusik.

Wer allerdings gehofft hatte, dass die Kombination Poetry-Slam und Klassik der Köder für ein jüngeres Publikum sei, wurde enttäuscht. Obwohl Bas Böttcher am Vormittag noch einen Workshop in der elften Klasse des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums gegeben hatte, sah man im zu zwei Dritteln gefüllten Konzertsaal doch recht wenige Schüler.

© SZ vom 26.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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