Podium im Tölzer Kurhaus:"Wir müssen ausbilden"

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Fachleute diskutieren darüber, wie man die Pflegekräfte von morgen sichern kann. Die Arbeitsagentur bietet ein Qualifizierungsprogramm

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Sie sagen "Hallo, wie geht es Ihnen?", hieven einen alten Menschen aus dem Bett, waschen ihn mit Düsen ab, bewahren seine Medikamente in ihrem Inneren auf. Fehlt bloß noch, dass sie neben ihm stehen, wenn sein Leben zu Ende geht, und ihm die Hand halten. In Japan gibt es Roboter, die den menschlichen Pflegekräften helfen. "Sind das die Wege, die man in Europa gehen will?" fragte Nicole Cujai, Leiterin der Agentur für Arbeit Rosenheim, am Donnerstagabend im Tölzer Kurhaus. Es gibt ein paar Pfade, aber keinen Königsweg, um den grassierenden Personalmangel in Altenheimen und Krankenhäusern zu lindern - dies wurde beim Informationsabend zum Thema "Die Pflegekräfte von morgen sichern" deutlich.

Einer davon ist "Triple Win". Was sich wie eine Sportwette im Internet anhört, ist ein Projekt der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Zentralen Auslandsvermittlung (ZAV) der Agentur für Arbeit, um qualifizierte Pflegekräfte aus dem Ausland zu holen. Genauer gesagt: aus Serbien, Bosnien-Herzegowina, Tunesien und den Philippinen. Ganz anders als in Deutschland gibt es in diesen vier Ländern mehr Fachkräfte als Stellen. Die GIZ kümmert sich um Deutschkurse und organisiert Fachseminare, um die Bewerber auf den deutschen Pflegealltag vorzubereiten, die ZAV ist für die Vermittlung zum Arbeitgeber zuständig. Der zahlt im Erfolgsfall 4000 Euro pro Pflegekraft, worin die Kosten für die Kurse enthalten sind.

Genau 1599 Fachkräfte aus dem Ausland seien über Triple Win bislang vermittelt worden, "wir arbeiten hier mit 213 Arbeitgebern zusammen", sagte Sonja Alves Luciano, Projektkoordinatorin bei der GIZ. Für Tomislav Ikic von der ZAV gewinnen dabei alle Seiten: Die Arbeitgeber erhielten Fachleute, die ihnen fehlten, die Pflegekräfte eine Stelle, die sie in ihrer Heimat vergebens suchten. Außerdem gebe es auch einen "entwicklungspolitischen Impuls" durch den Transfer von Geld für die Familien und fachlichem Know-how in die Herkunftsländer, sagte Ikic. Die Asklepios-Klinik in Bad Tölz hat diesen Weg beschritten, um qualifizierte Krankenpfleger zu gewinnen. Seit 2014 habe man 15 Mitarbeiter über Triple Win bekommen, sagte Personalleiter Walter Ertel. Vor drei Jahren kamen alleine neun Bosnier, Serben und Kroaten, ihre Ausbildung in der Heimat wurde inzwischen anerkannt. "Sie sind alle noch da", sagte Ertel. "Sie lernen jetzt fleißig Bairisch."

Skeptisch zeigte sich hingegen Dieter Käufer. Die Kräfte aus dem Ausland treibe nur wirtschaftliche Not her - "ob wir damit unser Problem lösen sollen, wage ich zu bezweifeln", sagte der Leiter des AWO-Seniorenzentrums Wolfratshausen, wo die demenzkranken Bewohner von etwa 75 Mitarbeiter betreut werden. Viele von denen stammen aus Ostdeutschland oder den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Käufer äußerte "ethische Bedenken", ausländische Fachleute einfach ihrer Kultur und ihren Familien zu entreißen. Auch Richard Stoll, Heimleiter des Marienstifts in Bad Tölz, kritisierte, "dass wir irgendwelche Länder abgrasen müssen und die eigenen Leute nicht bewegen können, eine Ausbildung zu beginnen". Im Marienstift arbeiten mehr als 65 Pflegekräfte aus 14 Nationen in Voll- und Teilzeit.

Eine Alternative ist für Pflegeeinrichtungen das "WeGebAU"-Programm der Arbeitsagentur. Damit werden noch wenig qualifizierte Beschäftigte aus- und weitergebildet: der ungelernte Helfer im Seniorenheim beispielsweise zum Altenpfleger, die Krankenpflegehelferin in der Klinik zur Krankenschwester. Das nutze man seit vielen Jahren, sagte Stoll und würdigte die reibungslose Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur: "Ich schreibe eine E-Mail, und in zwei Tagen habe ich eine Antwort." Dies bestätigte Käufer. Das AWO-Seniorenheim nimmt seit 2011 an diesem Förderprogramm teil: "Es läuft alles problemlos."

Beide Heimleiter sehen jedoch vor allem Politik und Gesellschaft in der Pflicht, um der Personalnot in den Pflegeberufen entgegenzuwirken. "Wir müssen ausbilden", sagte Käufer. Die Arbeitgeber dürften nicht jammern, sondern sollten versuchen, den Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten. Zudem müsse die Gesellschaft auch Geld in die Hand nehmen, um die Pflegekräfte besser zu bezahlen. "Die Politik muss klare Vorgaben machen", forderte Stoll. So sollten Auszubildende "außerhalb des Stellenplans mitlaufen", ebenso ihre Ausbilder. So bliebe viel mehr Zeit für Feedback und persönliches Gespräch. Wenn das immer nur hopphopp geschehe, "darf man sich nicht wundern, wenn die Menschen woanders hingehen".

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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