"Pastoral gestalten":Allein, alt, armutsgefährdet

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Die katholische Kirche in Geretsried will die Seelsorge besser an die Gegebenheiten anpassen

Von Felicitas Amler, Geretsried

Geografin Karin Niederländer (stehend) ist Fachreferentin beim Erzbistum München und Freising. Sie erläutert die Sozialraumanalyse. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Kurven sind eindeutig: Mit der Anzahl der Gottesdienstbesucher geht es kontinuierlich bergab; die Bestattungen liegen weit über den Taufen und die Austritte überflügeln die Wiedereintritte um das Zigfache. Die katholische Stadtkirche in Geretsried ist in einer schwierigen Lage, umso mehr, als die größte Gruppe der Katholiken in der Stadt jene der über 75-Jährigen ist. Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren sind dagegen die drittkleinste von zwölf Altersklassen. Was tun? Diese Frage wollen die beiden Pfarreien Maria Hilf im Süden und Heilige Familie im Norden, die zusammen die katholische Stadtkirche bilden, in einem Prozess beantworten. Dieser läuft gerade im gesamten Erzbistum München und Freising unter dem Titel "Pastoral gestalten". Dabei geht es darum, das pastorale Handeln "an den Gegebenheiten vor Ort und den Erfordernissen der Zeit neu auszurichten".

Den ersten Schritt dazu hätten die Geretsrieder Katholiken im Frühjahr gemacht, berichtet Bernhard Schütze, als sie sich ein biblisches Thema für das pastorale Gestalten wählten: "Suchet, und ihr werdet finden". Schütze ist sowohl im Pfarrgemeinderat Heilige Familie als auch im übergeordneten Stadtkirchenrat. Er moderierte am Mittwoch einen Abend in der Heiligen Familie, an dem die Sozialraumanalyse der katholischen Stadtkirche vorgestellt wurde. Das Erzbistum erstellt solche Analysen für die Pfarrverbände als "Sicht von außen auf das eigene pastorale Handeln". Geografin Karin Niederländer präsentierte die Zahlen und Grafiken.

In den meisten Punkten unterscheidet sich Geretsried demnach kaum von der Entwicklung der katholischen Kirche im Bistum. So liegt der Katholikenanteil im Gebiet von Maria Hilf bei 42 Prozent und in dem von Heilige Familie bei 38 Prozent - im gesamten Bistum sind es 47 Prozent, in der Stadt München 32. Insgesamt leben in der Stadt Geretsried mit ihren 24 384 Einwohnern 12 156 Katholiken. Der Trend aber sei überall gleich, sagte Niederländer: "Grundsätzlich geht's abwärts" - und zwar konkret in den vergangenen 17 Jahren um sieben Prozent im Bistum.

Die herausragende Zahl ist nach Ansicht der Geografin die der Altersklasse über 75 Jahre: Diese machten 11,2 Prozent der Gesamtbevölkerung, aber 16,2 Prozent der Katholiken in Geretsried aus. Die anwesenden Gemeindemitglieder wunderte dies kaum, es entspricht ihrer Erfahrung in den Gottesdiensten wie im Gemeindeleben, in dem es, wie Schütze einräumte, auch wenig Angebote für junge Leute gebe.

Ein anderer Aspekt ist die Armutsquote. Niederländer betonte, man müsse hier mit den Begriffen sehr vorsichtig sein. Erkennbar seien aber Tendenzen. So lassen sich soziale Notlagen eher im Geretsrieder Süden erkennen - in dem auch der Stadtteil Stein mit seinem zuletzt eklatanten AfD-Wahlergebnis liegt (25,4 Prozent). Konkret wird die Armutsgefährdung im Gebiet von Heilige Familie mit 14,6 Prozent beziffert, im Areal rund um Maria Hilf mit 19,8 Prozent. Das seien schon deutliche Daten, sagte Niederländer. Außerdem hob sie den in beiden Pfarreien hohen Anteil alleinstehender Senioren von rund einem Viertel der Haushalte hervor. Die Situation könne sich allerdings rasch verändern, wenn das große Wohnbaugebiet auf dem ehemaligen Lorenzareal bezogen werde. In Neubauten zögen erfahrungsgemäß eher junge Familien ein, sagte Niederländer; der Katholikenanteil aber liege in solchen Vierteln lediglich bei 25 bis 27 Prozent.

Wer sich am Prozess "Pastoral gestalten" beteiligen möchte, kann sich ans Pfarrbüro wenden, Telefon 08171/98280. www.pastoral-gestalten.de

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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