Paar- und Sexualtherapeutin:"Beziehungen sind im Sommer besser als im Winter"

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Beatrice Wagner praktiziert in Icking und lehrt an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Für alle über die Feiertage Frustrierten hat sie einen Rat.

Von Barbara Brießmann, Icking

"Ich bin Germanistin", sagt Beatrice Wagner energisch, wenn sie auf ihre medizinische Ausbildung angesprochen wird. Dabei sind solche Fragen gar nicht abwegig, gehört die Ickingerin doch zu den bundesweit renommierten Paar- und Sexualtherapeuten. Auch die meisten ihrer Bücher kreisen um das Thema Sex und Beziehung. "Es fasziniert mich einfach", meint die 52-Jährige. So kam sie zu ihrem Beruf als Heilpraktikerin für Psychotherapie.

Geboren wurde Beatrice Wagner in Wangen im Allgäu, ging zum Germanistik-Studium nach München an die Ludwig-Maximilians-Universität, wurde nach ihrem Abschluss Journalistin. Schnell hatte sie einen Schwerpunkt, über den sie schrieb: die Medizin. "Ohne Doktortitel hatte ich das Gefühl, von den Ärzten und Professoren nicht so richtig ernst genommen zu werden", sagt Wagner.

Also promovierte sie - als Germanistin am Lehrstuhl für Medizinische Psychologie der LMU, ihr Doktorvater war der international angesehene Hirnforscher Ernst Pöppel. Das Thema ihrer Arbeit: "Das episodische Gedächtnis in der Medizin". Darin geht es um "die inneren Bilder, die jeder Mensch in sich trägt", erklärt sie. Besonders starke Eindrücke, schöne wie schmerzhafte, werden im Langzeitgedächtnis abgespeichert und könnten immer wieder abgerufen werden. Diese Erkenntnis setzte Beatrice Wagner nach ihrer Promotion 2005 in eine eigene Methode um, die "identitätsstiftende Therapie", kurz IST genannt. Diese helfe auch bei der Behandlung von Beziehungskrisen und bei sexuellen Problemen, "damit sich jemand anhand der inneren Bilder erst einmal selbst finden kann".

Zum Thema Sex fand die 52-Jährige bei einem Seminar, über das sie berichtete. "Darüber wollte ich mehr wissen", sagt sie und studierte alles, was sie dazu finden konnte. Sie stieß auf die Arbeiten des amerikanischen Sexualwissenschaftlers David Schnarch, befasste sich mit seinem systemischen Ansatz und mit seinen Methoden. Regelmäßig besucht Wagner seine Workshops und Seminare in den USA. Schnarchs Credo: Weg vom Problem, hin zu Wünschen, Zielen und Ressourcen eines Paares. "Natürlich muss am Anfang der Therapie über das Problem gesprochen werden, aber das Positive sollte im Mittelpunkt stehen", erklärt Wagner.

Dazu gehöre auch das offene und ehrliche Reden über Sex. Dies sei der Lebensauftrag von Oswalt Kolle gewesen, den er Beatrice Wagner mit auf den Weg gab. Vor seinem Tod im Jahr 2010 hatte sie mit dem Aufklärer das Buch "Sex: Die zehn Todsünden" geschrieben.

Nach ihrer zusätzlichen Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie hat Wagner in der Praxis eine Beziehungssünde im Fokus: die Gleichmacherei. "Gerade beim Sex muss ein Mann ein Mann sein und die Frau eine Frau", sagt sie. Das höre sich für manche so an, als sei sie gegen Gleichberechtigung, "auf keinen Fall". Weiblich zu sein "heißt ja nicht, devot zu sein". Vor allem Männer seien stark verunsichert und deswegen im Bett oft zu zurückhaltend, überließen die Initiative ihrer Partnerin, was viele Frauen nerve. "Mich auch", sagt Wagner.

Apropos Beziehung: Dass es privat bei einer Paar- und Sexualtherapeutin perfekt laufen müsste, weist Beatrice Wagner lachend von sich. "Meine Beziehung ist eine wie andere auch", meint sie. Doch dann räumt sie ein, dass ihr Beruf durchaus Einfluss auf das Leben mit ihrem Freund hat. "In manchen Situationen betrachte ich mich von außen", wozu Menschen ja durchaus in der Lage seien. "Außerdem ertappe ich mich, dass ich denke, gerade hat er genau das Problem wie ein Patient von mir. Jetzt verstehe ich das."

Beatrice Wagner hat einen vollen Terminkalender. "Inzwischen nehme ich nicht mehr als fünf Patienten pro Tag an, sonst bin ich physiologisch am Ende." Bei den Einzelpersonen holen sich mehr Männer als Frauen Hilfe bei der Therapeutin, bei den Paaren sei eher die Frau die treibende Kraft, wenn es nicht mehr so laufe. Wagner arbeitet in ihrer Praxis in Icking, wo sie seit 2009 auch lebt, und in ihrer zweiten Praxis in Schwabing. Außerdem ist sie Dozentin am Lehrstuhl für medizinische Psychologie an der LMU. "In meinen Seminaren sollen Medizinstudenten etwas über das Arzt-Patienten-Verhältnis lernen, über Gesprächsführung und Psychosomatik." Das Fach ist Pflicht für Zweit- und Drittsemester. Zusätzlich schreibt Beatrice Wagner weiterhin Bücher, "dafür brauche ich auch noch Zeit". Inzwischen habe sie sich "limitiert. Ich arbeite nur noch sechs Tage die Woche." Für alle, die über die Feiertage an ihrer Beziehung zu zweifeln begonnen haben, sagt sie tröstend. "Im Sommer sind Beziehungen immer besser als im Winter." Also abwarten ...

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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