Orgelfesttage:Umwerfend

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Balász Szabó begeistert ein leider zu kleines Publikum

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

"Ungarische Impressionen" waren angekündigt. Der Organist Balász Szabó aus Budapest gab zum Abschluss der Tölzer Orgelfesttage ein Konzert aus zumeist ungarisch angehauchten Werken. Die Konzertreihe, heuer unter dem Motto "Von der Moldau an die Donau" unterwegs, war damit endgültig am Ziel angekommen. Leider war die Stadtpfarrkirche nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Der Organist, der in Würzburg und Trossingen studiert hat und daher ausgezeichnet deutsch spricht, gab kurze Hinweise zum Programm vorab.

Zu Beginn der Renaissance-Komponist Paul Hofhaimer aus Radstadt im Salzburger Land - und man stutzt: Was hat der mit Ungarn zu tun? Die Begründung mit ungarischen Vorfahren wirkt an den Haaren herbeigezogen. Wollte man die ungarische Musiktradition künstlich bis in die Renaissance verlängern? Die große Zeit der ungarischen Musik beginnt deutlich nach 1800. Sämtliche anderen Werke des Abends stammten dementsprechend aus dem 19. bis 21. Jahrhundert - da hätte Hofhaimer nicht sein müssen.

Balász Szabó ist ein Meister der raffinierten Klangfarben, der klug gewählten Tempi und des stilsicheren Werkzugangs. Selbst Bela Bartók, der nach eigener Aussage die Orgel gehasst hat, wurde auf dem ungeliebten Instrument zum Klingen gebracht - mit einigen Klavierstücken in Szabós eigener Orgelfassung. Eine Eigenkomposition von Szabó, "Ungarische Tänze", wurde im Rahmen des Konzerts uraufgeführt: ein virtuoses, dabei schönes und klangvolles Stück.

Doch all dies war nur das Vorspiel auf der kleinen Chororgel. Danach ging es auf die Empore zur großen Jann-Orgel, wo Szabó den Hauptteil des Programms spielte. Von Desző Antalffy-Zsiross, einem Zeit- und Schicksalsgenossen Bartóks, über die Gegenwart bis zu Franz Liszt spannte sich der Bogen. Und es bewährte sich einmal mehr, dass man bei den Tölzer Orgelfesttagen den Organisten nicht nur hört, sondern per Videoübertragung auch sieht. Etliche Spezialeffekte wären sonst untergegangen - so in einer weiteren Eigenkomposition von Szabó, wo das Pedal bis in den Diskant geführt wird und das Thema bringt, während die Manualstimmen begleiten.

Die Bewunderung für die Meisterschaft des Organisten wuchs von Werk zu Werk, doch den größten Brocken hatte er sich für den Schluss aufgespart: Franz Liszts "Ad nos, ad salutarem undam", ein Riesenwerk von einer halben Stunde Dauer. Und sagen wir es ehrlich: Bei eintönigem Spiel kann das Stück Längen aufweisen. Nicht jedoch in der umwerfenden, begeisternden Interpretation von Szabó. Atemlos verfolgte man, wie der Künstler über die drei Manuale und das Pedal geradezu schwebte und dabei immer noch eine Klangfarbe, immer noch eine Überraschung parat hatte. Manchmal meinte man, das Instrument stoße an seine Grenzen, und beim strahlenden Fortissimo-Schlussakkord schien die Decke der Kirche davonfliegen zu wollen. Man schaute auf die Uhr und wollte nicht glauben, wie viel Zeit verflossen war. Trotz lebhaften Beifalls gab es keine Zugabe.

Ein hinreißender Abschluss einer Konzertreihe, die wahrlich einen besseren Besuch verdient gehabt hätte. Für 2018 sind zum zehnjährigen Jubiläum Überraschungen angekündigt; bleibt zu hoffen, dass das Publikum reichlich zu diesen Überraschungen strömt.

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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