Neueröffnung in Geretsried:Die zwei Welten des Wolfram Weiße

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Wiederkehrende Symbole, wechselnde Farbkraft: Wolfram Weiße hat nach eigener Ansicht zu mehr Mut gefunden. Hier sein Gemälde "Sedimente". (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Geretsrieder Künstler ist mit Werken aus unterschiedlichen Schaffensphasen der Erste in der Galerie an der Elbestraße

Von Dorothea Gottschall, Geretsried

Geschäftig geht es an diesem Oktobertag an der Elbestraße 27a in Geretsried zu. Wolfram Weiße klettert auf Leitern und wieder hinunter, rückt und richtet die Bilder an den Wänden - für den Künstler eine Routine, in diesen Räumen jedoch neu, denn dort wird erstmals eine Ausstellung vorbereitet. An diesem Donnerstag eröffnen Kenneth Barlow und Albrecht Widmann ihre neue "Galerie an der Elbestraße". Unter dem Titel "Sehstücke" macht Weiße den Anfang. Dem Galeristenpaar war daran gelegen, dass bei der ersten Vernissage ein lokaler Künstler zu sehen ist.

Seit den späten Sechzigern lebt und wirkt Weiße in Geretsried. Der künstlerische Weg des gebürtigen Dresdners begann an der Akademie in München und führte über Zwischenstationen zum hiesigen Gymnasium, wo er 30 Jahre lang Kunstlehrer war. Für seine kunstpädogischen Projekte wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter 1999 der Tassilo der SZ, 2007 der Kulturpreis der Stadt Geretsried.

In der neuen Galerie zeichnen sich die biografischen Etappen des 81-Jährigen ab. Sein künstlerisches Schaffen begreift er in zwei Phasen, "die von der pädagogischen Arbeit unterbrochen wurden". Denn den gedanklichen Schalter umzulegen fiel dem engagierten Pädagogen bei einer 60-Stunden-Woche schwer. Da könne man nicht einfach von "Vermitteln und Motivieren" zu "plötzlich künstlerisch aktiv sein" wechseln. Ein Werk in der Ausstellung macht den Übergang von einer zur anderen Kunst-Phase besonders deutlich. Als Weiße vor dem Titel "Sedimente" stehen bleibt, deutet er auf den kleinen Bildausschnitt in kräftigem Rot-Orange: "Dass ich mich das getraut habe, diesen Ton das Gelb auffangen zu lassen - für mich ist das ein deutlicher Hinweis auf die jetzige Phase."

Diese Phase ist eine der Farbkraft, die sich in jedem Bild neu zu erfinden scheint. "Zu Beginn war da ganz viel Blau, Braun und Grau. Erst nach meinem Ruhestand entdeckte ich die Fülle der Farben", erklärt Weiße. Dass in "Sedimente" eine farbliche Neuorientierung angedeutet wird, ändert nichts an den Symbolen, die Weiße seit jeher einfließen lässt. Da erkennt man eine Sternenkonstellation, den Rauch, das Schiff und das stetig wiederkehrende Spiel mit den Horizonten. Auch die Vielschichtigkeit der Ebenen - mal hart, mal durchlässig, hier organisch, dort geometrisch - ist typisch.

Wie er mit diesen Symbolen umgehe, sei verändert, sagt Weiße. "Vor meinem pädagogischem Beruf war vieles in den Bildern greifbarer, sehr alltagsnah." Er deutet auf das "Stillleben mit Bild", eine Küchenszene. Das Bild auf dem Tisch könne gleichzeitig ein Fenster sein, "es lenkt den Blick des Betrachters in einen anderen Raum, ist dabei jedoch sehr nahbar". In seiner jüngeren Schaffensphase hätten sich seine Fenster transformiert: "Mit ihnen kann ich nun in ganze Welten Einblick gewähren." Beispielhaft hierfür sei sein Werk "Ausblick".

Ein wenig mehr Raum hätten die 43 Arbeiten, die Weiße an der Elbestraße präsentiert, durchaus vertragen. Aber Widmann geht es pragmatisch an: "Zumindest ist es kein Problem mehr, volle zwölf Monate auszustellen, ohne irgendwann der Kälte nachgeben zu müssen." Er spielt damit auf seine Zeit als Galerist des "Kunstbunkers"an, der unbeheizbar war. Denn die Galerie an der Elbestraße ist nicht das erste Projekt von Widmann und Barlow dieser Art. Es gab Galerien in München und London und - dem regionalen Publikum bestens bekannt - eben den Kunstbunker am Geretsrieder Isardamm. "Es wurde leider einfach zu viel für uns", erklärt Widmann die Aufgabe des Standorts vor knapp sieben Jahren. Er und sein Partner versuchten dann, erneut im Vereinigten Königreich Fuß zu fassen. Jedoch: "Zwei Jahre lang war es genießbar, danach nur noch brexitverseucht."

Widmann, 76, freut sich auf Kunstausstellungen, aber auch auf Beiträge aus Musik und Literatur. Die unmittelbare Nachbarschaft der Elbestraße 27a kommt ihm gelegen - nebenan sind das Geretsrieder Kulturamt und das Stadtarchiv angesiedelt.

"Zwei oder drei Jahre, länger nicht." So viel Zeit gibt Widmann sich und seinem Partner im Galeriegeschäft. Was mit den Räumlichkeiten danach passieren soll, kann er noch nicht sagen; nur so viel: "Es gibt schon Gespräche." Doch zunächst steht eine feierliche Eröffnung an. Über Wolfram Weißes Schaffen sagt der Galerist: "Es ist einfach sein Verständnis für die Farben zueinander, das Kenneth und mich so fasziniert."

Wolfram Weiße: "Sehstücke", Vernissage am Donnerstag, 28. Oktober, 17 Uhr, Elbestraße 27a, Geretsried; bis 14. November, Dienstag bis Freitag 13 bis 19 Uhr, Samstag/Sonntag 11 bis 19 Uhr. Begleitprogramm: Montag, 1. November, 18 Uhr, Weißes Film "Platz - Aufbruch zur Kunst" über die erste Ausstellung im damaligen Kunstbunker ; Freitag, 12. November, 18 Uhr, kurze Filmgedichte Wolfram Weißes, "die zum Teil Nähe zu den Gemälden finden.

© SZ vom 28.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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