Nach der Kommunalwahl:Die "Königin von Dietramszell" geht

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In Leni Gröbmaiers Amtszeit als Bürgermeisterin fielen Ereignisse, die die kleine oberbayerische Gemeinde ins Licht der Weltöffentlichkeit rückten. Nun verabschiedet sich die 64-Jährige endgültig aus der Politik

Von Petra Schneider, Dietramszell

Nach zwölf Jahren hat Leni Gröbmaier ihren Schreibtisch im Bürgermeisterzimmer von Dietramszell geräumt. Ein "bisserl ein komisches Gefühl" sei das, sagt die 64-Jährige. Dass sie nicht für eine dritte Amtszeit kandidiert hat, sei nicht von Anfang an klar gewesen. "Aber ich habe gemerkt, dass ich das Private nicht länger hintanstellen will." Sie möchte mehr Zeit für ihre Familie haben, sagt die vierfache Mutter, die inzwischen sieben Enkel hat. Auf der Agenda stehe jetzt "ein sehr entspannter Urlaub auf dem Bauernhof". Genauer gesagt auf ihrem eigenen Bio-Bauernhof, den sie bereits an den Sohn übergeben hat. Dieses Mal sei der Abschied aus der Politik endgültig.

Schon einmal ist Gröbmaier ausgestiegen, 2002 war das, als sie als Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Kreistag zurückgetreten ist, weil sie das Finanzierungskonzept für die Konversion der Tölzer Flintkaserne nicht mittragen wollte. 2008 trat sie dann für die neu gegründete Bürgerliste Dietramszell (BLD) als Bürgermeisterkandidatin an. Die ersten Jahre ihrer Amtszeit waren hart: Die Finanzen der Gemeinde am Boden, 2011 drohte die Rechtsaufsicht des Landratsamts mit einer Zwangsverwaltung. In acht Ortsteilen musste der Kanal erneuert werden, eine undankbare Mammutaufgabe, weil das Geld quasi "im Untergrund vergraben wurde". Die Wahl 2014 gewann sie mit nur zwei Stimmen Vorsprung gegen CSU-Kandidat Michael Häsch.

In Gröbmaiers Amtszeit fiel auch ein Ereignis, das die kleine Gemeinde Dietramszell ins Licht der Weltöffentlichkeit rückte: Im Dezember 2013 die Abstimmung über die Distanzierung von der Ehrenbürgerwürde für Hitler und Hindenburg, die mit einem Patt abgelehnt wurde. "Das war ein Drama", sagt Gröbmaier, "das hätte nicht passieren dürfen". Sie sei überzeugt gewesen, dass jedem Gemeinderat die Tragweite bei der ersten Abstimmung bewusst gewesen sein müsse. Sie berief eine Woche später eine Sondersitzung ein, bei der der Beschluss einstimmig revidiert wurde. Aber der Ruf der Gemeinde war schwer beschädigt, Pressevertreter von New York bis Moskau riefen im Dietramszeller Rathaus an und wollten ein Statement. Das Thema war "wie eine Wolke in der Welt", erinnert sie sich. Eine ganz schlimme Zeit, sie habe sich hilflos und ausgeliefert gefühlt. Als Fehler bezeichnet sie es, dass sie in den Monaten danach "nicht besser kommuniziert habe", dass die Gemeinde bereits an einem Konzept arbeitete, den Hindenburg-Kopf an der Klostermauer mittels Infotafel und QR-Code kritisch einzuordnen. "Das war schon alles vorbereitet", sagt Gröbmaier. Aber dann kam der Aktionskünstler Wolfram Kastner und schraubte den Hindenburg-Kopf ab. Eine Aktion, die die Gemeinde gespalten hat - in jene, die sie als Anstoß zu einer fälligen historischen Auseinandersetzung sahen, und eine Mehrheit, die sich von einem Münchner nicht drein reden lassen wollte und Kastner nicht als Künstler, sondern als Sachbeschädiger sah. Zur zweiten Gruppe gehörte auch Gröbmaier. "Wir haben das als reine Provokation gesehen", sagt sie. Die Emotionen gingen hoch und fanden ihren unseligen Höhepunkt bei einer Faschingsveranstaltung, bei der eine Kastner-Puppe aufgeknüpft wurde. Sie sei bei der Bettelhochzeit dabei gewesen, habe aber die Galgenpuppe in dem ganzen Drumherum gar nicht so richtig wahrgenommen. "Ich habe das völlig unterschätzt", räumt Gröbmaier ein. Wer auch immer dafür verantwortlich gewesen sei, habe nicht nachgedacht. "Das war eine Dummheit aus einer Stimmung raus."

Gegen Ende ihrer Amtszeit hat Gröbmaier ein Versprechen eingelöst: Das Hindenburg-Symposium mit hochrangigen Historikern, das in der Gemeinde auf großes Interesse stieß und viel Lob erntete. "Das war mir ganz wichtig, dass die Sache zu einem guten Abschluss gebracht wird", sagt sie. Zum Abschluss ist die Sache freilich noch nicht gekommen, aber es gibt Pläne für einen Geschichtspfad samt ausführlicher Hindenburg-Station, den ihr Nachfolger Josef Hauser (FW) weiter verfolgen will. Insgesamt sei die zweite Amtsperiode sehr produktiv und konstruktiv verlaufen, findet Gröbmaier.

Einfach war das nicht, zumal für eine Frau an der Spitze eines Gremiums mit "vielen selbstbewussten Mitgliedern", wie sie einmal formuliert hat. Aber Gröbmaier ist eine beharrliche Frau, die sich auch durch Widerstände nicht entmutigen lässt. Ihre Bilanz kann sich sehen lassen: Das Gewerbegebiet in Ascholding, der neue Edeka-Markt plus Kindergarten, die Pflege-WG am Kreuzfeld, der Hochbehälter am Jasberg, die Schulhaussanierung. Sie hofft, dass die Dorferneuerung wie geplant umgesetzt wird. Die Personallücken sind geschlossen, die Finanzen haben sich erholt und Dietramszell gelte im Landkreis nicht mehr als "Armenhaus". Bürgermeisterin sei sie sehr gerne gewesen, sagt Gröbmaier. Und was ihr wirklich fehlen werde, "sind meine Leute in der Verwaltung". Jetzt freut sich die leidenschaftliche Leserin auf ihre Bücher, sie will mehr radeln und ihr Wissen als Kräuterpädagogin vertiefen. Zum Abschied hat ihr der Grünen-Gemeinderat Hubert Prömmer eine Weinflasche mit Bild geschenkt: "Ich mit Krone", sagt Gröbmaier und lacht. Bildunterschrift: "Die Königin von Dietramszell."

© SZ vom 12.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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