Musik:"Oft reicht ein Blick"

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"A Bavarian in New York": Gregor A. Mayrhofer stattet derzeit seiner Heimat einen Besuch ab - und gibt zwei Konzerte mit "Imbrothersation". (Foto: Luc Hossepied/oh)

Gregor A. Mayrhofer arbeitet als Dirigent und Komponist mit Spitzenmusikern in Paris und New York. Improvisieren jedoch kann er mit keinem anderen so gut wie mit seinem Bruder

Interview von Barbara Briessmann

Er pendelt zwischen München und Wolfratshausen, Paris und New York: Gregor A. Mayrhofer, Komponist und Dirigent aus Waldram, hat seinen ganz eigenen Takt - und ist auf einer Wellenlänge mit seinem Bruder Raphael, wenn es um Rhythmus und Improvisation geht. Das stellen die beiden als Jazz-Duo Imbrothersation an Klavier und Schlagzeug am Freitag, 24. Juni, in Geretsried unter Beweis. Für ihr furioses Spiel haben die Brüder 2010 den Tassilo-Preis der SZ bekommen. Der Titel ihres neuen Programms: "A Bavarian in New York." Zeit zum Proben bleibt ihnen kaum. Vor wenigen Tagen wurde Gregor Mayrhofers Werk "Masse" für 40-stimmigen Chor vom Bayerischen Rundfunk Chor uraufgeführt. Außerdem tüftelt der 28-Jährige an einem Auftragswerk für das Ensemble Intercontemporain, mit dem er vor kurzem sein Debüt in der Pariser Philharmonie dirigierte. Auch seine Kinderoper "Oskar und der sehr hungrige Drache" läuft gerade wieder in der Bayerischen Staatsoper.

SZ: Was fasziniert Sie an Kinderopern?

Gregor A. Mayrhofer: Kinder sind ein interessantes Publikum, weil sie so gnadenlos ehrlich sind. Man kann sich dann als Komponist hinter keinem Konzept verstecken, sondern merkt sofort, wenn die Aufmerksamkeit verloren geht.

Welche Musik haben Sie als Kind gerne gehört?

Alles mögliche. Aufgewachsen sind wir drei Brüder ja mit Volksmusik und haben das praktisch mit der Muttermilch aufgesogen. Allerdings waren mir damals Dreigesang oder Stubnmusi oft zu fad. Ich wollte immer mehr die schmissigen Stücke.

Hat die Volksmusik Einfluss auf Ihre Kompositionen?

Eigentlich nicht direkt, aber natürlich habe ich dadurch sehr viel gelernt, in einem Alter in dem es mir noch gar nicht bewusst war - vor allem, frei nach Gehör zu spielen und zu begleiten. In dem neuen Programm mit Raphael lassen wir dann doch unsere musikalischen Wurzeln miteinfließen: Das nächste Konzert läuft unter dem Titel "A Bavarian in New York".

Sozusagen ein stilistischer Zwiefacher?

Ja, wenn man so will. Im Jazz faszinierte mich immer das spielerische Improvisieren und vor allem auch das Feingefühl für Rhythmus und Timing. Das kann man dort so toll lernen, dieses Groove-Gefühl, dass man kaum mehr still sitzen kann.

Dreht sich in Ihrer Familie alles um Musik?

Nein, natürlich gab es auch immer viele andere Themen: Wissenschaft, Ethik, Politik, Literatur, aber die Musik hatte immer einen ganz besonderen Stellenwert. Auch bei meinen Brüdern: Raphael ist jetzt Musiklehrer am Gymnasium und Johannes ist Videotechniker bei der Bayerischen Staatsoper.

Und wann wussten Sie, dass Musik Ihre Profession werden könnte?

Ich denke, es kam fließend. Mit 14 habe ich erste Kompositionen gemacht. Mit 16 oder 17 wurde es immer klarer, dass das mein Weg sein wird.

Nach dem Abitur begann Ihr Studium in München, die nächsten Stationen waren Paris, Düsseldorf und jetzt New York. Wie läuft der Alltag dort für Sie ab?

Jetzt habe ich gerade Sommerferien. Erst im Herbst bin ich wieder dort. Ein typischer Tag beginnt mit einer Runde Jogging im Central Park. Das habe ich mir angewöhnt, weil es mir Schwung gibt und ein guter körperlicher Ausgleich ist. Am Vormittag sind dann entweder selbst Proben zu dirigieren, oder ich besuche Proben von New York Philharmonic mit meinem Lehrer Alan Gilbert. Den Nachmittag nutze ich meistens für das Partiturstudium. Ansonsten versuche ich auch immer wieder etwas von den anderen Genres mitzubekommen: Museen, Theater, Ballett. Gerade an der Juilliard gibt es da natürlich die tolle Möglichkeit, in den Unterricht der Kollegen hineinzuschauen und großartige Aufführungen zu erleben. Einen wirklich freien Abend gibt es sehr, sehr selten.

Und wann komponieren Sie?

Das konkrete Notenaufschreiben mache ich entweder am ganz frühen Morgen oder am späten Abend, ich muss mir die Zeit dafür streng einteilen, aber das Nachdenken und Suchen nach Ideen passiert eigentlich andauernd. Beim Lernen, Proben, im Gespräch mit Kollegen, man denkt immerzu darüber nach, wie diese oder jene Stelle weitergehen sollte.

Genießen Sie zur Zeit das ruhige Leben in Wolfratshausen?

Da habe ich mich sehr darauf gefreut. Ruhe gibt es in New York nicht, und das genieße ich nun hier sehr. So ganz ruhig war es allerdings die letzten Wochen noch gar nicht, da ich fast jeden Tag in München war. Erst für die Proben und die Uraufführung von "Masse" mit dem Chor des BR. Dann weil ich unbedingt die Proben des Dirigenten Bernard Haitink für "Mahler 3" besuchen wollte, man kann so viel von ihm lernen.

Ihre nächsten Projekte?

In den nächsten Wochen arbeite ich an meinem Stück für die Kölner und Pariser Philharmonie, im August bin ich dann beim Luzern-Festival und dann geht's über Paris zurück nach New York.

Und wann proben Sie mit Ihrem Bruder für Imbrothersation?

In jeder freien Sekunde, wenn wir beide Zeit haben. Aber wir lieben es natürlich auch, immer einen Teil offen zu lassen und eben zu improvisieren. Es ist so toll mit ihm, weil oft nur ein Blick reicht, um zu spüren, wohin wir die Musik als nächstes führen wollen, oder wer führt und wer begleitet.

Mit nur 28 Jahren haben Sie sich auch international schon einen Namen gemacht. Sind Sie - angelehnt an Ihren zweiten Vornamen Amadeus - ein Wunderkind?

Ich denke nicht. Ich glaube, dass es so etwas nicht wirklich gibt. Fast alle sogenannten Wunderkinder haben einfach in sehr frühen Jahren lernen dürfen, was manch andere erst Jahre später machen. Natürlich habe ich von meinen Eltern viele Talente bekommen und dank ihnen und vielen tollen Lehrern und Förderern wurde es mir ermöglicht, sie zu entwickeln. Aber dann ist es eine lebenslange Suche und Arbeit an sich selbst.

Imbrothersation mit "A Bavarian in New York" spielen am 24. Juni in der Aula des Geretsrieder Gymnasiums, am 25. Juni im Johannissaal in Schloss Nymphenburg. Beginn der Konzerte ist jeweils um 20 Uhr. Eintritt: 10 Euro. Kartenreservierung unter: kontakt@imbrothersation.de

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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