Münsing:Leichenzug mit Hanswurst

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Die Pocci-Biografie zeigt auch die depressive Seite des Satirikers

Von Benjamin Engel, Münsing

Franz Graf von Pocci zählt zu den schillerndsten und vielseitigsten Persönlichkeiten des Münchner Hof- und Kulturlebens im 19. Jahrhundert. Als hoher Staatsbeamter und Künstler führte er eine Doppelexistenz. Mit seiner Spottlust verschonte er selbst Honoratioren nicht. So schickte Graf Pocci zu einem in Landshut angesagten Hofbesuch - damals war er Oberzeremonienmeister König Maximilians II. - einen Pudel in einer Kutsche. Zum Empfang krachten die Böller. Der Bürgermeister ging mit einem Blumenstrauß auf die Karosse zu. Doch aus ihr kam nicht etwa ein hohe Staatsgast, sondern der Pudel sprang heraus - zum Schrecken von Bürgermeister und Tier.

Die kleine Szene ist in dem Buch "Franz Graf Pocci. Der Kasperlgraf" von Michael Dirrigl nachzulesen. Johannes Glötzner von den Gräfelfinger Gelegenheitsschreibern (GRÄGS) hat es neu überarbeitet und mit zahlreichen Illustrationen versehen. Die in Münsing ansässige Pocci-Gesellschaft hat das Buch herausgegeben. Ursprünglich handelte es sich um ein Kapitel in der Biografie des 2002 verstorbenen Historikers Dirrigl über Ludwig I. Der Vorsitzende der Pocci-Gesellschaft, Michael Köhle, erklärt, dass sie sich jahrelang um eine Veröffentlichung in einem eigenen, schön gestalteten Buch bemüht hätten. Denn bisher habe nur eine einfache Paperback-Ausgabe vorgelegen.

Das Buch zeichnet die Biografie und das künstlerische Werk Graf Poccis nach. Mit Ende 20 wurde er Kammerjunker und "Zweiter Zeremonienmeister" am bayerischen Hof, später Kammerherr und Hofmusikintendant und Oberstkämmerer. Insgesamt 40 Jahre lang diente er den Königen Ludwig I., Maximilian II. und Ludwig II. Von 1844 an war er Schlossherr in Ammerland und nahm sich Zeit für sein künstlerisches Schaffen. Als Schöpfer des "Kasperl Larifari" wurde er bekannt und schrieb für die Figur mehr als 40 Stücke. Er zeichnete Karikaturen, verfasste Gedichte und komponierte Musikstücke.

Trotz seiner heiteren Seite litt Pocci aber auch an Depressionen und Todesfurcht. Bei voller Gesundheit nahm er seinen eigenen Leichenzug zeichnerisch vorweg. Seinem Leichnam folgen der sichtlich niedergeschlagene Hanswurst und der Gevatter mit der Sense.

Michael Dirrigl: Franz Graf Pocci. Der Kasperl-Graf, bearbeitet von Johannes Glötzner, hrsg. von der Pocci-Gesellschaft, 196 Seiten, GRÄV, 12,80 Euro, bestellbar über Graeverlag@gmx.de

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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