Münsing:Brutal wie das Leben

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Schauspieler Thomas Darchinger verausgabt sich mit dem "Bavarical"

Von Benjamin Engel, Münsing

Eines zeigt sich sofort: Der Münsinger Schauspieler Thomas Darchinger weiß sein Publikum zu unterhalten. Mit Verve trägt er die Texte seiner bayerischen Lieblingsautoren vor. Er schlüpft in die Rolle des grantelnden Bayern und schreit seine Wut lauthals bis zur Erschöpfung heraus. Stellenweise wird er melancholisch, dann wieder erheiternd und träumerisch. Die Gäste, rund 40 sitzen an den Tischen im Münsinger Freiraum am Mittwochabend dicht gedrängt, applaudieren jedenfalls ausgiebig. Doch was Darchinger unter dem Titel "A gmade Wiesn - ein Bavarical" vorliest, hat auch eine Nähe zum allzu Obszönen, verliert sich in den dumpfen Trieben des Menschen, was nicht jedem gefallen muss.

Darchinger folgt Ottfried Fischer in das Münchner Schlachthofviertel. Er taucht ein in die Welt der Metzger mit ihrem tödlichen Handwerk und der Lust am Kartenspiel, bei dem es ihnen nur ums "Stechen" geht, was durchaus doppelbödig zu verstehen ist. "Dumpfe Triebe in kalter Gemütlichkeit im Bauch der Großstadt", wie Fischer die Szenerie selbst bezeichnet. Mit Gerhard Polt folgen die Gäste einer bayerischen Männerrunde auf das Oktoberfest. Mitleid darf man von ihnen nicht erwarten. Sie sind auch dann noch bestens gelaunt, als sie einem einzelnen Tischnachbarn den Maßkrug über den Schädel hauen, so dass der einen Schädelbasisbruch erleidet. Dabei hat einer von ihnen "den Maßkrug lediglich auf den Schädel aufgesetzt und es war eine Bombenstimmung".

Die gute Stimmung haben auch die Gäste im Freiraum. Dazu tragen die Musiker Luis Maria Hölzl sowie Xaver Maria Himpsl und Ludwig Maximilian Himpsl, beide auch von der Unterbiberger Hofmusik bekannt, bei. Sie spielen alpenländisch schräg mit Alphorn, mal rockig oder jazzig angehaucht. Darchinger singt dazu.

Nicht immer sagt Darchinger dazu, von welchem Autor er Texte vorträgt. Da schlüpft der Schauspieler etwa in die Rolle eines Mannes kurz nach dem Aufstehen vor dem Spiegel. Die Schimpfwörter sprudeln aus seinem Mund heraus, bis er brüllt und sich völlig verausgabt. Donnernder Applaus.

Szenenwechsel - ein Mann vor einem Kinderkarussell mit Pferden. Darchinger zeigt, angelehnt an Rilke, die ganze Wehmütigkeit des Erwachsenen und seinen Wunsch, noch einmal Kind zu sein, "ganz versunken, ohne Schmerz und ohne Ziel".

Er trägt auch eigene Gedichte vor. Dazu hat er sich von Doors-Sänger Jim Morrison inspirieren lassen. Nach dessen Vorbild lebt Darchinger in seinen Texten Fantasien, Ängste und Visionen aus. Er rührt eine wilde Melange von der romantischen Liebe, über einen Busunfall mit Japanern in den Alpen und ihren Geistern bis zu den wüsten Ferkeleien junger Männer und Mädchen in einer Polizeischule zusammen. So geht eine spannungsgeladene Veranstaltung zu Ende: prall wie das Leben, doch in seiner Brutalität manchmal schwer zu ertragen.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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