Mitten in der Region:Sinnfreie Erdbeeren

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Manchmal ist mehr sagen weniger...

Von Claudia Koestler

Dazu gibt es doch auch ein Sprichwort, nicht wahr? "Geliebtes Kind trägt viele Namen", ja, das wusste schon die Großmutter. Aber muss es denn tatsächlich Kjartan Ruben Ulf Emanuel Jonathan sein, oder Rasmus Ronan Roy? Als Mädchen gar Charlotte Lilja Loreley? Offenbar ja, zumindest, wenn es nach den Neugeborenen-Namen aus dem unmittelbaren Bekanntenkreis geht.

Schon klar, auch früher bekamen Kinder mehrere Vornamen, zum Beispiel als Erinnerung an den Großvater oder die Großmutter. Anders aber als in der Vergangenheit werden die Kleinen von heute tatsächlich oft mit sämtlichen Namen gerufen. Es kann also dauern, bis der eigene Spross ermahnt wird, der netten Oma von nebenan lieber nicht vors Schienbein zu treten. Allerdings ist es vielleicht in Zeiten schwacher Geburtenraten durchaus verständlich, dass man den Nachwuchs interessant und ausgiebig betitelt. Nun, jeder nach seiner Fasson. Ob kurzer oder langer Name, klar ist jedenfalls, dass für Eltern der Nachwuchs eh einzigartig auf der Welt ist.

Was man von Erdbeeren ja nicht gerade behaupten kann. Ein gewagter Sprung, von Kindernamen zu Erdbeeren? Schon. Aber auch ein gewiefter Obsttandler in der Region hat sich offenbar daran orientiert, dass Geliebtes eben viele Namen trägt. Und wenn bei der Erdbeere eigentlich mit ihrem Namen schon alles gesagt ist, gibt es immer noch jede Menge Adjektive, mit denen man die Frucht zeitgemäß dekorieren kann. Im konkreten Fall pries der Händler sie mit einer langen Liste auf einer Schiefertafel als "laktosefrei", "glutenfrei", "eifrei", "senffrei", "vegetarisch" und sogar "vegan" an. Bislang war man davon ausgegangen, dass es bei Obst nicht nötig sei darauf hin zu weisen, dass es nicht um Fleisch, Getreide, ein Hühner- oder Milchprodukt handelt. Doch die ausführliche Beschreibung tat Wirkung: Restlos ausverkauft war der Händler am Abend.

Da tun sich doch ganz neue Möglichkeiten auf! Fehlen einem die Worte, lässt sich das Schweigen immer noch mit der Beschreibung des Abwesenden füllen. Wie zur Übung könnte diese Glosse dann enden mit dem Satz: "Vorsicht! Kann Spuren von Ironie enthalten."

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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