Mitten in Geretsried:Schlange ohne Wartezeit

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Eine Schlange am Supermarkt ist nichts Besonderes. Wenn es sich allerdings um eine Natter handelt, kann man schon nervös werden

Kolumne von Konstantin Kaip

Polizeimeldungen sollte man schon sehr genau lesen. Wenn man sie nämlich nur flüchtig überfliegt, könnte man auf den Holzweg geraten. In dem Sechszeiler der Geretsrieder Inspektion vom Montag etwa steht etwas von einer Schlange am Supermarkt, die die Polizei beseitigen ließ, nachdem aufgeregte Bürgerinnen sie gemeldet hatten. Na gut, denkt man sich, und plant bereits den Notruf übers Handy, wenn man am Samstag mal wieder mit seinem Einkaufswagen in der schier endlosen Reihe vor der Kasse warten muss.

In der Meldung steht aber etwas anderes: Mehrere Passantinnen haben am Sonntagnachmittag an einem Supermarkt in der Sudetenstraße eine Schlange gesehen und die Polizei verständigt, heißt es darin. Gemeint ist ein Reptil ohne Extremitäten. Und weil diese Art von Schlange, der leise Kaltblüter mit der gespaltenen Zunge, schließlich schon seit der Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies die Personifizierung des Bösen ist, kann man den Notruf bestens nachvollziehen. Schlangen im zoologischen Sinn sieht man im Umfeld von Supermärkten zudem äußerst selten, und die meisten Kunden sind wohl auch in freier Wildbahn noch nie einer begegnet. Kein Wunder also, dass da die Alarmglocken schrillen. Schließlich könnte es ja eines dieser hochgiftigen Exemplare sein, von denen sich Cleopatra einst per Biss in die Brust ins Jenseits befördern ließ.

Praktisch, dass die Geretsrieder Polizei einen guten Draht zur örtlichen Feuerwehr hat, und die hat wiederum einen "fachkundigen Angehörigen", wie es im Bericht heißt: Der hat bei dem Tier zwei gelbe halbmondförmige Flecken am Hinterkopf festgestellt und erkannt, dass es sich um eine Ringelnatter handelte. Das Reptil mit dem zoologischen Namen Natrix natrix ist für Menschen vollkommen ungefährlich. Der Feuerwehrmann hat es eingefangen und dann außerhalb des bebauten Gebiets wieder in die Freiheit entlassen. Ringelnattern leben gewöhnlich an einsamen Gewässern weitab von Supermärkten, Postschaltern oder Biergartenschänken. Wer sie sehen möchte, sollte also dorthin gehen, wo es keine Schlangen im übertragenen Sinn gibt.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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