Mitten in der Region:Vom Baikalsee nach Wolfratshausen

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Warum die Fahrt mit der S-Bahn derzeit eine Reise wert ist

Kolumne von Benjamin Emonts

Eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn bleibt für die meisten Menschen eine unerfüllte Sehnsucht, die sie zeitlebens durch Reiseberichte im Fernsehen zu stillen versuchen. Fast 9300 Kilometer schlängelt sich die wohl legendärste Eisenbahn der Welt von Moskau bis Wladiwostok, durch märchenhafte Winterlandschaften, vorbei am Uralgebirge bis zum türkis schimmernden Baikalsee, entlang historischer Städte und quer durch die schier endlose Taiga. Was muss das nur für eine Reise sein. Es heißt ja, sie könne ein ganzes Leben verändern.

Doch für viele Menschen bleibt sie - wie gesagt - ein unerfüllter Traum. Das mag die verschiedensten Gründe haben. Das Geld ist womöglich zu knapp, das Land erscheint zu fern, die Anreise zu strapaziös oder Lethargie und fehlender Mut verhindern den Ausflug ins Fremde. Für all die Zögerlichen und Unentschlossenen muss deshalb eine kleine Lösung her, eine hübsche, zeitknappe Alternative, am besten vor der eigenen Haustür. Schwer zu empfehlen ist nach diesen Auswahlkriterien, jedenfalls dieser Tage, eine morgendliche Fahrt mit der S 7 von München nach Wolfratshausen. Das "S" könnte problemlos auch für Sibirien stehen.

Schon, man muss verkraften können, dass die S-Bahn hie und da ein Viertelstündchen Verspätung hat. Es gibt in der S 7 auch keinen Wodka, keine Schlafwaggons und keine Mongolen oder Tataren, die Einblicke in fremde Kulturen gewährten. Alles andere aber ist wirklich ein Traum. Die S 7 führt durch ein Land, das von oben bis unten mit Puderzucker überzogen ist. Sie passiert weite Täler und Wiesen, die schlafend unter unberührten Schneedecken liegen. Die majestätischen Alpen am Horizont. In der Wintersonne schimmernde Flüsse. Dunkelgrüne Wälder, die in Weiß getüncht sind; die Bäume mit Abermillionen Eiskristallen überzogen. Erst ganz am Ende der Reise erwacht der Fahrgast aus seinem Traum - die Endstation heißt Wolfratshausen und nicht Wladiwostok.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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