Mitten in der Region:Underdog in der S-Bahn

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Die Plätze zwischen den Türen sind frei. Also ausnahmsweise rein mit dem Fahrrad. Stört ja niemanden. Oder doch?

Glosse von LARS BRUNCKHORST

Neulich fährt der Sohn mal wieder S-Bahn. Der Zug ist, sommer- und Corona-bedingt, wie so oft halb leer. Nur vereinzelt hocken in Infektionsschutzabständen Menschen auf den blauen Sitzschalen, die Plätze zwischen den Türen sind frei. Also ausnahmsweise rein mit dem Fahrrad. Stört ja niemanden. Oder doch? Es dauert nicht lange, da kommen - ausweislich ihrer Dienstkarten - zwei Kontrolleure. Ob er denn nicht wisse, dass für die Mitnahme von Fahrrädern zwischen 6 und 9 Uhr am Morgen sowie 16 und 18 Uhr am Abend eine Sperrzeit gelte? Ja, schon, aber es ist ja bereits kurz vor neun und das Rad nehme doch niemandem Platz weg. Außerdem hat er auch ganz vorschriftsmäßig für drei Euro eine eigene Tageskarte fürs Rad gekauft. Es hilft alles nichts: Das Rad muss samt Radler bei der nächsten Haltestelle raus und letzterer 40 Euro Strafe zahlen.

Natürlich tun die Kontrolleure nur ihre Pflicht. Die Sperrzeit steht in den Regelungen des MVV für die Mitnahme von Kindern, Hunden und eben Fahrrädern. Dennoch stellt sich die Frage, warum Kinder und Hunde den ganzen Tag ohne jegliche Sperrstunde mitgenommen werden dürfen und, solange sie unter sechs sind (die Kinder), nicht einmal zahlen müssen; schließlich stören viele von ihnen mehr als ein Rad. Das gilt auch für Backpacker mit halbem Hausstand auf dem Rücken oder Rentner mit gepanzerten Trolleys. Ganz zu schweigen von Leuten, die nach ihrem Einkauf mit einem gigantischen 75-Zoll-Fernseher oder einer Schrankwand zusteigen, und dafür ebenfalls kein Ticket ziehen müssen.

Was einen auf die Idee bringt, sein Fahrrad beim nächsten Mal einfach in einen Umzugskarton zu packen. Dann geht es als Sperrgut glatt durch. Ganz ohne Sperrzeiten und Kosten. Gut, den Karton muss man hinterher irgendwie zusammengefaltet auf den Gepäckträger kriegen oder man sperrt ihn am Bahnhof für die Rückfahrt mit der S-Bahn zwischen 16 und 18 Uhr an einen Fahrradständer. Auf jeden Fall immer noch günstiger, als am Zielbahnhof ein zweites Fahrrad zu deponieren. Oder man lässt sich beim nächsten Mal wieder mit dem Auto mitnehmen und dem Fahrrad oben drauf.

© SZ vom 06.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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