Mitten in Bad Tölz:Schlafen fürs Klima

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Die Kurstadt nimmt am Stadtradeln teil. Und am StadtLesen. Da fehlt nur noch eines...

Kolumne Von Klaus Schieder

Das Stadtradeln gibt es dieser Tage auch in Bad Tölz. Gemeint sind damit nicht die Touristen, die scharenweise trotz Verbots durch die Fußgängerzone strampeln und gelegentlich mit einem "Pass doch uff" einen Passanten anfauchen, der ihnen unbotmäßig vors Vorderrad läuft. Vielmehr nimmt die Kurstadt an der bundesweiten Aktion für Klimaschutz und CO₂-Einsparung teil. Der Unternehmerverein "Wir für Tölz" hat schon ganz stolz verlauten lassen, wie viele Kilometer seine Mitglieder abgeradelt haben. Sicher werden sich auch die Jugendlichen der "Fridays for Future"-Demos in diesen Wochen in den Sattel schwingen, anstatt sich wie andere Altersgenossen von Mama mit dem SUV zur Schule chauffieren zu lassen. Dann gibt es auch noch den Arbeitskreis Radeln, und schließlich Leute wie mich, die fast jeden Abend auf dem Heimtrainer sitzen. Aber das zählt leider nicht, weil wir so keinen Kohlendioxid-Ausstoß reduzieren, sondern mit den quietschenden Pedalen bloß unseren Nachbarn nerven, von wegen Geräuschemission und so.

Deshalb wenden wir uns lieber dem Stadtlesen zu, das jetzt bis Sonntag in der Marktstraße über die Bühne geht. Das ist genauso CO₂-frei, aber um einiges bequemer. Man kann sich stundenlang in einer der Hängematten und Sofas herumfläzen oder auch bloß kurz auf ein Kissen setzen - je nachdem, ob man sich für Thomas Manns Josefsromane oder für ein altes Donald-Duck-Heft entschieden hat. Die Schmöker kann man sich - Achtung, Radler - aus einem Bücherschrank holen und - Achtung, noch'n Radler - zu seinem Sitzmöbel bringen. Schade nur, dass sich das Papier nach drei Seiten zu wellen beginnt, weil Regen eingesetzt hat.

So gehen wir eben nach Hause, legen uns aufs Ohr und bedauern, dass noch niemand das Stadtschlafen erfunden hat. Das wär doch mal was: Eine ganze Kommune pennt für den Klimaschutz, spart dabei jede Menge CO₂ ein, sorgt zugleich für Entschleunigung und damit für erheblich mehr Lebensqualität in der Stadt. Ja gut, durch kollektives Scharchen kann es zu nicht unerheblichen Lärmemissionen kommen. Aber mal ganz ehrlich: Wen stört das dann schon?

© SZ vom 12.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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