Mitten in Bad Tölz:Das Ich und das Es

Wenn das Unterbewusstsein den Ton angibt, nennt man das Freudsche Fehlleistung. Da kann man auch mal im Vorraum einer Bank einschlafen.

Kolumne von Ingrid Hügenell

Manchmal tut man etwas, was man eigentlich nicht tun möchte: Liest vielleicht Scheißstand wo Schießstand steht, gießt die Milch statt in den Kaffee in den Orangensaft, solche Dinge. Diese Vertuer oder Versprecher sind als Freud'sche Fehlleistungen bekannt geworden, weil Sigmund Freud in seiner "Psychopathologie des Alltagslebens" im Jahr 1904 derartige Aussetzer erstmals gesammelt und psychologisch beleuchtet hat.

In ihnen verrieten sich gegen unseren Willen die innersten Wünsche, meinte der Begründer der Psychoanalyse. Vielleicht trifft das auch auf den Mann zu, von dem die Tölzer Polizei am Montag berichtet hat. Am Sonntag um 21.41 Uhr rief jemand bei der Dienststelle an, weil er im Vorraum einer Bank am Bahnhofsplatz einen schlafenden Menschen entdeckt hatte. Die eingetroffenen Beamten stellten schnell fest, dass es sich um einen 51-jährigen Obdachlosen handelte: Die Polizisten kannten den Mann schon. Sie nahmen ihn mit und stellten bei der Überprüfung fest, dass zwei Haftbefehle der Staatsanwaltschaften München II und Weiden gegen ihn vorlagen - unter andrem wegen Körperverletzung. Der Wohnsitzlose wurde daher zunächst festgenommen und im Anschluss in die Justizvollzugsanstalt nach München überstellt.

"Sein Winterquartier ist nun für die nächsten Monate ausreichend beheizt", heißt es im Polizeibericht weiter, und hier stellt sich nun die Frage: Was, wenn der Mann genau das bezweckt hat, vielleicht auch nur unbewusst? Schließlich ist es momentan zapfig kalt, auch in sonst vielleicht ganz behaglichen Ausweichquartieren. Da mag sich das Unbewusste des Mannes bei der Wahl des Schlafplatzes mit eingeschaltet und darauf gehofft haben, dass es ein warmes Bett und regelmäßige Mahlzeiten bekommt. Das Bewusstsein hingegen hätte vermutlich die Freiheit vorgezogen. So kann's gehen, wenn man sich quasi selbst einen Strich durch die Rechnung macht.

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