Metal-Festival in Geretsried:Impulsiv, mitreißend - und sehr eigen

Lesezeit: 4 min

Zum sechsten Mal erlebt Geretsried eine Invasion von schwarzgekleideten Langhaarigen: 1500 Besucher feiern beim "Mondblau"-Festival zu Heavy-Metal-Klängen - diesmal sogar ohne Regen.

Thekla Kraußeneck

Das Tosen in der Ferne erinnert an ein Fußballstadion, nur ohne Vuvuzelas. Schon in der fünfzehn Minuten entfernten Altvaterstraße steht fest: Wer zum Mondblau-Festival will, folgt einfach dem Krach. Twist rockt gerade die Bühne. Der Bass geht durch Mark und Bein, der Text ist nicht zu verstehen - macht nichts, der Platz vor dem Geretsrieder Pfadfinderheim bebt auch ohne Konversation, und die knapp 1500 Besucher wollten schließlich auch auf ein Heavy-Metal-Event und nicht zum Kaffeeklatsch. Das Mondblau-Festival tobt am Freitag zum mittlerweile sechsten Mal.

Langt in die Saiten: Der Gitarrist von Exit Dead End beim Mondblau-Festival in Geretsried. (Foto: Hartmut Pöstges)

Diesmal regnet es nicht, und selbst wenn, würde das dem Spaß wohl keinen Abbruch tun. "Die Leute sind hart im Nehmen", erinnert sich Georg Hodolitsch, Initiator des Festivals und Vorsitzender des Trägervereins, an das "Mondblau" von 2009, als selbst im knöcheltiefen Schlamm noch wild getanzt wurde.

An Neuerungen gebe es diesmal einige Highlights im Programm, sagt er: Die Profi-Newcomer Apron und Tillmann, die dieses Jahr Mondblau-Premiere feiern. Nicht zu verkennen sei außerdem die jährlich steigende Anzahl an Dixi-Klos: "Eklatant, was so ein paar Leute an Dixis füllen", sagt Hodolitsch. Zwölf mobile Toiletten säumen den recht betriebsamen Platz rechts der Bühne. Beim nächsten Mal soll - vermutlich anlässlich des verflixten siebten Jahrs - ein Dixi-Klo für die Privatnutzung versteigert werden.

Wer will bestreiten, dass diese Anzahl von blauen Örtchen notwendig ist: Honigmet, "Drachenblut" und Bier fließen nicht zu wenig, und Gegrilltes gibt es direkt neben dem Eingang zum Zeltplatz. Dort campen die Fans auf jedem freien Meter, ungeachtet der fünf Grad, die es morgens hat. Wo kein Zelt steht, lagern sie bei mitgebrachtem Bier, das übrigens nicht mit aufs Festgelände genommen werden darf. Darauf passt das vierköpfige Personal des Danner-Security-Services unter Leitung von Nadine Hopf auf. Unter den Campern sind auch die Fünf von der Metal Core-Band We vote the Terrorist, die aus München angereist sind, um am Samstag zu spielen. "Die fünf Grad stören mich nicht", beteuert Schlagzeuger Pablo, "ich hab mein Zelt, und ich hab mein Bier, und eigentlich reicht das."

Nach einer kurzen Pause wird es vor der Bühne wieder eng. Ein Trio hat sein Equipment ausgepackt, das ins Klischee des schwarz tragenden, gepiercten und tätowierten Metallers so gar nicht passt, dafür aber bestens zur Mehrheit seiner Zuhörer: Als der Schlagzeuger von Tillmann loslegt, steht keiner mehr still. Rockmusik spielen sie, kein Heavy Metal, und gesungen wird auf deutsch - wahrscheinlich.

" Tillmann hat sich selber gemeldet", erinnert sich Hodolitsch, "die waren sehr hartnäckig, und genau so was wollen wir." Der Andrang bei den Bewerbungen ist groß, 80 Prozent aller Interessenten müssen jährlich abgelehnt werden. Etwa 24 Bands kommen ins Programm, danach ist Schluss. Die Auswahlkriterien sind für Hodolitsch kein Geheimnis: "Nur ehrliche und handgemachte Musik ist was wert", sagt er, "und auch kleine Bands müssen dabei sein. Selbst die Banana Fishbones haben mal klein angefangen."

Ebenfalls nicht ohne Gewicht ist für Hodolitsch der Bezug zu den auftretenden Interpreten. Mostly Harmless etwa sind dieses Jahr als einzige zum sechsten Mal in Folge dabei. Für Sänger Simon ist das Mondblau-Festival längst nicht mehr nur ein Termin im Kalender. Zwar hat sich die Band in den vergangenen sechs Jahren weiterentwickelt und sogar einen Plattenvertrag abgeschlossen, aber das Mondblau, sagt Simon, bleibe ein alljährliches Highlight. "Man geht aufs Mondblau nicht wegen der Musik, sondern man geht aufs Mondblau, weil es das Mondblau ist", sagt er. "Die Atmosphäre ist einfach Hammer." Zum vorigen Jahr sieht er nur einen Unterschied. Es regnet nicht. Und falls doch, gibt es am Merchandise-Stand neben Band-T-Shirts und CDs auch Regencapes zu 1,50 Euro.

Diesmal ohne Regen: Die Camper freute es. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die aber lassen sich am Freitag glücklicherweise nur schlecht absetzen. Bis spät in die Nacht bleibt es trocken und die Temperaturen schweben oberhalb der Erträglichkeitsgrenze. Nur für einen findet der Abend ein unglückliches Ende. Als im Anschluss an Tillmann die Metal-Band 24 Days to Fall loslegt, verstaucht sich ein ehemaliger Gebirgsjäger der Bundeswehr beim Tanzen den Fuß und muss vom Bayrischen Roten Kreuz, das bereits seit Veranstaltungsbeginn um zwölf Uhr mittags die Stellung hält, ins Krankenhaus gebracht werden. Der Dachauer nimmt es mit Humor und nennt die Sache eine witzige Geschichte. Das gehört eben dazu - und: "Es war eben auch eine total geile Band!"

Nach 24 Days to Fall steht der Höhepunkt des Abends bevor: Apron. Das Quintett, das sich mit dem bislang angeblich längsten Konzert aller Zeiten kürzlich einen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde gesichert hat, wurde von Hodolitsch ins Programm geholt. Die Gitarristen und der Schlagzeuger erscheinen gruselig geschminkt auf der Bühne, Sänger Thomy mit nacktem Oberkörper - der visuelle Stil erinnert an Crow, der akustische ist nicht nur laut, sondern impulsiv, mitreißend und eigen, und alles kommt bei den Festivalbesuchern gut an.

Das Feld vor der Bühne platzt aus allen Nähten, Scheinwerfer tauchen es in mondblaues Licht, die Nebelmaschine arbeitet auf Hochtouren und am Ende explodiert das Publikum in Jubel und Begeisterung.

Über anderthalb Stunden geben Apron ihre Werke zum Besten. Das Tosen in der Ferne ist noch lange zu hören. Der erste Mondblau-Tag geht seinem Ende zu - und das ganze ohne Regen. Nein, der traditionellen Nässe trauert heute keiner nach, denn wenn auch der harte Kern immer durchgehalten hat, so hat der Regen 2009 doch dazu geführt, dass der Trägerverein mit seiner diesmal 25000 Euro schweren Veranstaltung Verluste einfuhr. "Wir können nicht alles aus eigener Tasche bezahlen", sagt Hodolitsch, "aber wenn es irgendwie geht, machen wir's auch nächstes Jahr."

© SZ vom 06.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: