Nicht nur die Auswahl der Werke, auch deren Abfolge ist ein wesentlicher Faktor der Programmgestaltung. Das Minetti Quartett hat dabei am Sonntagabend in der Reihe "Meistersolisten im Isartal" in Icking eine glückliche Hand bewiesen. Ein heiterer, humorvoller Haydn eröffnet, ein schicksalsschwerer Schostakowitsch führt in eine völlig gegensätzliche Welt. Und ein Schubert, der Abgründe aufscheinen lässt, verbindet diesen Kontrast, fügt die Gegensätze wieder zusammen. Man könnte auch sagen: These, Antithese, Synthese - ein gut gebautes Programm also. Doch dem Papierkonzept muss auch Leben eingehaucht werden. Und auch das gelingt den vier jungen Musikern - Maria Ehmer und Anna Knopp (Violine), Milan Milojicic (Viola) und Leonhard Rocezek (Violoncello) hervorragend.
Mit vitalem Zugriff, geerdet, in sich ruhend, gehen die Minettis den Kopfsatz aus Joseph Haydns Streichquartett Es-Dur, Beiname "Der Scherz", an. Ihr sehr ausgewogenes, subtiles Zusammenspiel überzeugt sofort. Gleichwohl ist Maria Ehmer die prima inter pares. Sie verströmt eine Art natürlicher Autorität, die im Einklang steht mit ihrer unaufgesetzten, natürlich-souveränen Tongebung. Dieser unmanierierte Musizierstil, der gleichwohl immer charaktervoll ist, zeichnet das ganze Quartett aus. Hier wird im selben Geist und mit einem Atem, in jeder Hinsicht aus einem Guss, musiziert. Ein Genuss für die Zuhörer!
Das Scherzo folgt anmutig-heiter, die Nuancen auskostend. Die Bratsche eröffnet das Largo mit einem innigen Gesang, zart umschmeichelt vom Cello. Aufgeräumt-heiter gibt sich das Finale und bringt einen Fake-Schluss, Haydns musikalischer Scherz.
In düstre Welten führt darauf Dmitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 7 in fis-Moll - ein krasser Gegensatz zu Haydns lichtem Es-Dur, in jeder Hinsicht. Zwar waren die Repressalien, denen der russische Komponist in der stalinistischen Ära ausgesetzt war, im Jahre 1960, als dieses Streichquartett entstand, überwunden. Unter Nikita Sergejewitsch Chruschtschow hatte die "Tauwetter"-Politik eingesetzt. Doch Schostakowitsch verarbeitet in diesem Werk den Tod seiner Ehefrau Nina. Der 1. Satz vermittelt sofort dichte Spannung, es herrscht Düsternis. Doch keine Melancholia á la John Dowland wird hier vermittelt, sondern unruhiges Suchen, Fragen. Man spürt den Druck, der auf dem Suchenden lastet. Sehr zart und innig eröffnet die erste Geige das folgende Lento, von der zweiten Geige unruhig umspielt. Bratsche und Cello steigen ein; die Stimmung wird zunehmend bedrückt. Wild und leidenschaftlich begehrt der dritte Satz auf. Er endet in ruhigerem Fahrwasser, ist aber nicht wirklich zur Ruhe gekommen, wovon die düsteren pizzicati zeugen.
Die Synthese der konträren Welten gelingt Franz Schuberts Streichquartett G-Dur. Es ist sein letztes, wobei man bei einem Komponisten, der mit 31 Jahren stirbt, von Alterswerk nicht reden kann. Ein Werk großer Reife ist es aber allemal. Hier kommt der ganze Schubert zum Ausdruck. Fahle Töne, die geheimnisvolle Spannung erzeugen, verstärkt von einem fortlaufend nervösen Vibrieren der Begleitstimmen, kennzeichnen den ersten Satz. Den zweiten eröffnet ein anrührendes Klagelied des Cellos, das dann durch alle Instrumente läuft und schließlich mit einer wild auffahrenden Passage konfrontiert wird. Ein Wechselbad der Gefühle!
Eine geheimnisvoll flirrende Atmosphäre nimmt im dritten Satz Felix Mendelssohn Bartholdys Sommernachtsstimmung vorweg. Das abschließende Allegro huscht vorüber. Geprägt von Unrast trägt es einen süßen Schmerz in sich. Langer Beifall im gut besetzten Saal des Ickinger Gymnasiums.