Mal pur, mal gemischt:Ein Hoch auf den Apfelsaft

Lesezeit: 3 min

Es gibt Jahre, da biegen sich die Obstbäume unter ihrer Last. Damit die Früchte eine sinnvolle Verwendung finden, stellen Gartenbauvereine ihre Obstpressen zur Verfügung. Fünf wurden mit dem Umweltpreis ausgezeichnet

Von Vinzenz Gabriel, Bad Tölz

Müsste jedes Jahr nach einem charakteristischen Ereignis benannt werden, so ließe sich 2018 als das Obstjahr bezeichnen. Die Obstbäume krümmten sich unter dem Gewicht der eigenen Früchte, und schon eingegangen geglaubte Obstbäume trugen plötzlich wieder. Wer das eigene Obst nicht verkommen lassen wollte, stand vor einem Problem: Wohin mit all den Früchten? Zwetschgendatschi und Apfelkuchen versprachen eine schnelle Abhilfe. Doch ohne die Gartenbauvereine mit ihren Obstpressen wären viele Äpfel, Birnen und Co. auf dem Kompost gelandet.

Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) würdigte die Gartenbauvereine Benediktbeuern, Beuerberg, Egling, Eurasburg und Königsdorf nun mit dem Umweltpreis. Damit wurde zum einen der Einsatz der ehrenamtlichen Betreiber der Obstpressen hervorgehoben, zum anderen auf die Bedeutung der Obstpressen für Gartenkultur, die Landschaftspflege und die Biodiversität aufmerksam gemacht.

Eva Bichler-Öttl, Projektmanagerin des landkreisübergreifenden Biodiversitätsprojekts zur Erhaltung alter Obstsorten, betont, dass Gartenbauvereine mit ihren Obstpressen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von alten Obstarten leisten würden. "Die Vielfalt beim Obst ist nur zu erhalten, wenn sich die Früchte auch verwerten lassen", erklärt sie und demonstriert die Wichtigkeit der Gartenbauvereine an einer Rechnung. Laut der Projektmanagerin liege der Konsum von Äpfeln pro Kopf bei 20 Kilogramm im Jahr. Das mache bei einer vierköpfigen Familie 80 Kilo aus. Ein Apfelbaum alleine könne aber schon mal bis zu 150 Kilogramm Obst tragen. Was also macht ein Bauer mit seiner Streuobstwiese, wenn er ein Dutzend solcher Bäume besitzt?

Derzeit gebe es 250 Apfel- und Birnensorten, die von namhaften Sortenkundlern nicht bestimmt werden konnten, so Bichler-Öttl. Das wollen die Experten ändern. Sie möchten den Obstanbau wieder stärken - und da kommen die Gartenbauvereine mit ihren Obstpressen ins Spiel.

Laut Winfried Schmitt, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Gartenbauvereins Benediktbeuern, fällt die Ernte heuer gut aus. "Vor allem aus Lenggries kommen die Leute dieses Jahr mit dem Obst", sagt er. "Dort scheint die Ausbeute besser zu sein als anderswo." Die Messlatte für die benötigte Obstmenge liegt bei 50 Kilogramm, darunter wird nichts angenommen. Rund 30 Liter Saft lassen sich aus 50 Kilogramm Äpfeln pressen. Drei Leute bedarf es für den Betrieb der Benediktbeurer Obstpresse. "Wir haben umgerüstet, zuvor wurden noch fünf Personen gebraucht."

Die Mitglieder des Gartenbauvereins Eurasburg bei der Arbeit am Presstag. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Jede Apfelsorte hat dabei einen anderen Geschmack. "Der Boskop schmeckt zum Beispiel eher säuerlich", sagt Schmitt. Abgefüllt wird der Saft dann - je nach Wunsch der Kunden - in Fünf- oder Zehn-Liter-Kartonagen. "Wenn jemand den Saft zu Most oder einfach ganz natürlich genießen möchte, kann er auf Wunsch auch nicht-pasteurisiert abgefüllt werden." Neben reinem Apfelsaft werden auch Birnensaft oder Mischungen angeboten. Je nachdem, in welchem Verhältnis das Obst in die Presse kommt. "Wir haben eine Probierecke eingerichtet, wo die verschiedenen Säfte gekostet werden können, das ist vor allem für die Kinder ein Highlight", erklärt Schmitt.

Für Maria Schön, Vorsitzende des Gartenbauvereins Beuerberg, ist der Presstag ein logistischer Aufwand. Damit alles funktioniert, müssen die ehrenamtlichen Mitarbeiter ebenfalls funktionieren. "Acht Personen brauchen wir für einen Arbeitstag", sagt Schön. Die Mindestmenge zum Pressen sind in Beuerberg 25 Kilogramm, "aber wir machen schon mal eine Ausnahme, wenn jemand weniger dabei hat". Den großen Vorteil bei der Verwertung der Äpfel zu Saft sieht Schön in der langen Haltbarkeit. "In der Anlage wird der Saft auf 75 Grad erhitzt, das hält ihn lange genießbar."

Anders als in Benediktbeuern ist die Obstmenge in Beuerberg dieses Jahr sehr durchwachsen. Aber kein Jahr gleiche dem anderen, sagt Schön. Heuer seien es die späten Apfelsorten, bei denes es viel Ertrag gebe. Diese sind meist sauer und wurden früher vor allem zum Schnapsbrennen verwendet. Inzwischen habe sich das aber geändert, sagt Schön. "Früher hat noch fast jeder Bauernhof mit Obstgarten seinen eigenen Schnaps gebrannt, das gibt es heute kaum noch."

Geschmacklich lässt sich vor allem durch die Mischung von Äpfeln mit Birnen sehr stark variieren, erklärt Schön. "Birnen haben bis zu doppelt so viel Zucker wie Äpfel, damit lässt sich geschmacklich wunderbar experimentieren." Doch nicht nur Äpfel und Birnen lassen sich pressen. Auch Quitten werden gepresst - aber das nur zum Saisonende hin. "Die Quitten verstopfen das ganze Netz", sagt Schön.

Die meisten Gartenbauvereine verfügen über eigene Anbauflächen, die oftmals von den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Die eigenen Äpfel und Birnen pressen die Gartenbauvereine meist zu Saft. Der Gartenbauverein Eurasburg etwa lässt auch einen Teil zu Most weitervergären, um diesen im Mai auf dem großen Mostfest auszuschenken. Nicht nur der Mensch profitiert von dem Saft des Obstes. Das Wild freut sich über die Rückstände beim Pressen, den sogenannten Trester. Die Jäger holen es für die Wildfütterung nach dem Saftmachen bei den Obstpressen ab.

Der Gartenbauverein in Benediktbeuern betreut selbst eine große Streuobstwiese, die ihm vom Kloster zur Verfügung gestellt worden ist. "Mehr als 50 verschiedene Apfelsorten haben wir dort angebaut", erzählt Vize-Chef Winfried Schmitt. Der gepresste Saft werde gespendet. Die Streuobstwiese diene aber auch der Wissensvermittlung. "Wir laden oft Kinder und Schulklassen zu Kursen und Besichtigungen ein, damit sie an die Natur herangeführt werden. Dafür haben wir einen eigenen Schulgarten angelegt." Gäbe es die Obstpressen nicht, so ist sich Schmitt sicher: "Die Leute könnte mit dem ganzen Obst nichts anfangen, und es würde großteils verkommen."

© SZ vom 04.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: