Mahd mit der Hand:"Sensen ist kein Anachronismus"

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Otto Gion rückt hoch gewachsenem Gras mit Stahlblatt, Dengelamboss und Wetzstein zu Leibe. Das Mähen von Hand bietet aus seiner Sicht entscheidende Vorteile, insbesondere für die Natur- und Artenvielfalt. In Kursen kann man das Handwerk von ihm lernen

Interview von Arnold Zimprich, Benediktbeuern

Der Bendiktbeurer "Sensologe" Otto Gion bietet gemeinsam mit dem Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) am Samstag den vierten "Sensologen-Kongress" im ZUK an. Im Interview erklärt Gion, was ihn am Mähen mit der Sense fasziniert.

SZ: Herr Gion, seit wann sensen Sie?

Otto Gion: Meine ersten Mäh-Versuche mit der Sense habe ich als crica 15-, 16-Jähriger gemacht. Das waren ziemlich klägliche Versuche, weil es mir niemand zeigte und ich keine Ahnung hatte, wie man ein Sensenblatt scharf macht. Das Schlüsselerlebnis war dann ein Schweizer im Kloster Benediktbeuern, der mir einige Zeit beim Mähen zuschaute und dann selbst die Sense ergriff. In einer halben Stunde hatte er so viel gemäht wie ich an einem halben Tag. Da schwor ich mir, dass ich auch einmal so gut mähen kann.

Was bedeutet das Sensen für Sie: Entschleunigung, Konzentrationsübung, Meditation oder gar Perfektion?

Wenn's arg pressiert und ich keine Zeit habe, die Sense gut zu schärfen, kann's eine Plage sein. Aber normalerweise ist es entspannend und tatsächlich entschleunigend. Sie haben recht, dass es auch eine Konzentrationsübung ist. Jede meiner Sensen ist anders zu führen und darauf muss ich mich konzentrieren. Als Meditation möchte ich das aber nicht bezeichnen. "Meditatives Mähen" halte ich für eine leere Floskel und für ein bisserl "gschpaßig". Zur Perfektion werde ich es wahrscheinlich nicht mehr bringen.

Wie viele Sensen besitzen Sie?

Es sind circa 25 Sensen der verschiedensten Art, mit uralten und ganz neuen Sensenblättern, alten unverstellbaren und neuen auf die Körperstatur einstellbaren Sensenstielen. Dazu kommt noch circa ein Dutzend alter verrosteter Sensenblätter, die noch entrostet werden müssen und für die ich noch keine Sensenstiele habe.

In unserer übertechnisierten Welt wirken Sensen wie ein Anachronismus. Wie sehen Sie die Technisierung im Mähhandwerk?

Dieser Meinung, dass das Mähen mit der Sense heutzutage ein Anachronismus ist, bin ich nicht. Es interessieren sich immer mehr Menschen für das Mähen mit der Sense. Auffällig ist, dass viele Frauen dabei sind. Das Kurzhalten einer Grasfläche mit dem Mähroboter halte ich für einfallslos und schädlich für die Natur in vielerlei Hinsicht. Die fortschreitende bäuerliche Technisierung beim Mähen orientiert sich in meinen Augen ausschließlich am schnellen Erfolg und nimmt so gut wie keine Rücksicht auf die Vielfalt der Natur.

Welche Vorteile hat das Mähen mit der Sense?

Einen Vorteil beim Mähen mit der Sense sehe ich in der Schonung der Pflanzen, die durch einen glatten Schnitt gekürzt werden. Beim maschinellen Mähen werden die Stängel dagegen zerfetzt. Ein weiterer Vorteil ist, dass beim Mähen mit der Sense das Gras viel höher stehen darf oder soll, sodass sich die Gräser und Blumen noch aussamen können und damit die Pflanzenvielfalt erhalten bleibt.

Sollte ihrer Meinung nach jeder Gartenbesitzer eine Sense anschaffen?

Soweit würde ich nicht gehen. Aber ein Schaden wäre es sicher nicht. Und natürlich müsste der Sensenbesitzer mit dem Arbeitsgerät auch umgehen können. Sonst ist die Sense nur ein Dekorationsstück.

Was darf eine gute Sense kosten?

Ein Sensenmäher braucht einen zu seiner Statur passenden Sensenstiel, ein Sensenblatt aus gutem Stahl und mit der richtigen Form, einen Dengelamboss und Dengelhammer, einen Kumpf (Köcher für den Wetzstein) und einen Wetzstein. Das kostet zusammen circa 200 bis 250 Euro.

Angenommen, man möchte gerne mit einer Sense mähen, ist aber handwerklich eher ungeschickt. Kann jeder das Sensen lernen?

Meines Erachtens kann jeder den richtigen Umgang mit der Sense lernen. Voraussetzung ist gutes Werkzeug, Wissen über das richtige Einstellen der Sense, Ausdauer beim Lernen und Üben, Selbstkontrolle und Lockerheit. Es gibt nur ein paar Grundregeln: Die Sense muss sehr scharf sein, sie muss den richtigen Neigungswinkel haben, sie bleibt immer am Boden und wird nie hochgehoben, der Halbkreis des Sensenschwungs wird bis zum Ende durchgezogen und durch die Rumpfdrehung unterstützt, die Tiefe des Schnittstreifens beträgt für Anfänger nicht mehr als fünf bis acht Zentimeter und am leichtesten lässt sich tau- oder regennasses Gras mähen.

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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