Lesung:Zeitreise in die Zwanzigerjahre

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Gelungener Frauenabend: Heidi Rehn stellt in der Wolfratshauser Stadtbücherei ihren Roman "Das Lichtspielhaus" vor. (Foto: Hartmut Pöstges)

Heidi Rehn stellt in der Stadtbücherei Wolfratshausen ihren Roman "Das Lichtspielhaus" vor

Von Anja Brandstäter, Wolfratshausen

In diesem Kinopalast würde man gerne sitzen. Mit 20 000 Kühllampen, Seidentapeten, Stuckverzierungen und einer modernen Lüftungsanlage, die den richtigen Duft zum Bild auf der Leinwand einsprüht, hat Heidi Rehn den "Elvira-Palast" der fiktiven Münchner Kino-Dynastie Donaubauer ausgestattet - eine Attraktion erster Güte. Von weit her reisen die Besucher an, alle fein gekleidet und herausgeputzt wie für einen Opernbesuch. In ihrem Roman "Das Lichtspielhaus - Zeit der Entscheidung" lässt die Autorin die Blütezeit der Münchner Kinos in den Jahren zwischen 1926 und 1933 auferstehen. Am Montagabend stellte sie ihr Werk in der Wolfratshauser Stadtbücherei vor - der Auftakt zu der dreiteiligen Reihe "Die Goldenen Zwanziger", mit der die Stadtbücherei in den Herbst startet.

Heidi Rehn entführt die Zuhörer in eine Zeit, in der starke Frauen die Kinogeschäfte in die Hand nahmen. Neben den großen Filmpalästen existierten damals sogenannte Ladenkinos mit Minimalausstattung: einem Projektor, einem Betttuch als Leinwand und Bierbänken für die Zuschauer. Dennoch war es eine lukrative Möglichkeit für Frauen, sich mit wenig Eigenkapital selbständig zu machen.

Passenderweise sind an diesem Abend ausschließlich Frauen in die Stadtbücherei gekommen, um der Autorin zuzuhören und mit ihr in eine schillernde Zeit einzutauchen. Der Erste Weltkrieg lag nur wenige Jahre zurück, ebenso die Revolution von 1919 und die Spanische Grippe. Viele Menschen hungerten, der Schwarzmarkt blühte. Golden waren lediglich vier Jahre dieses Jahrzehnts des vergangenen Jahrhunderts.

Die Autorin freut sich sichtlich, seit Februar erstmals wieder vor Publikum lesen zu dürfen. Auch Silke Vogel, Leiterin der Stadtbücherei Wolfratshausen, ist erleichtert. "Endlich können in unserer Bücherei wieder Veranstaltungen unter strengen Hygienemaßnahmen stattfinden." Warum "Die Goldenen Zwanziger"? Auf die Idee habe sie Christof Weigolds erster Roman der Hardy-Engel-Reihe "Der Mann, der nicht mitspielt" gebracht, erklärt Vogel. Ein authentischer Kriminalfall aus dem Hollywood der Zwanzigerjahre mit fiktiven Elementen. "Er war so spannend, dass ich gar nicht aufhören konnte zu lesen." Dann habe Titus Müller bezüglich seines neuen Romans angefragt, der ebenfalls diese Zeit beschreibt. Mit Heidi Rehns Roman habe sich ein schöner Bogen von München über Berlin nach Hollywood spannen lassen.

Für die Lesung hat das Team der Stadtbücherei die fahrbaren Bücherregale zur Seite geschoben, kleine Abstelltische für Getränke und jeweils zwei Stühle links und rechts daneben aufgestellt, so dass der Mindestabstand locker eingehalten werden kann. Eine "Einbahnregelung" sorgt zudem dafür, dass sich die Besucherinnen nicht zu nahe kommen. An diesem warmen Abend bleiben auch die Fenster weit geöffnet. Ein begeistertes Publikum bedankt sich für eine gelungene Zeitreise und lässt diese gemeinsam bei einem Glas Wein ausklingen.

Am 5. Oktober liest Titus Müller aus "Die goldenen Jahre des Franz Tausend", am 26. Oktober Christof Weigold aus dem dritten Band der Hardy-Engel-Reihe "Die letzte Geliebte, Hollywood 1923" ; Infos unter stadtbuecherei.wolfratshausen.de

© SZ vom 24.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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