Lenggries:Trommeln für die Integration

Lesezeit: 2 min

Mit Trommeln und Gitarren treffen sich junge Lenggrieser und Flüchtlinge einmal im Monat zum Workshop im Jugendtreff. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Flüchtlinge und Lenggrieser Jugendliche musizieren gemeinsam bei einem Workshop mit Sepp Müller in Lenggries

Von Petra Schneider, Lenggries

Meryem möchte am liebsten gleich anfangen. Die 13-Jährige spielt begeistert Gitarre, und seit sie ein eigenes Instrument über eine Spende bekommen hat, ist sie glücklich. Vor zwei Jahren ist Meryem mit ihrer Familie aus Herat in Afghanistan geflohen. Seit vier Monaten leben sie in Lenggries. "Ich bin für immer hier", sagt sie und wirbelt im kleinen Gruppenraum des Jugendtreffs herum, die Gitarre fest im Arm. Wie die meisten anderen Flüchtlinge, die am Mittwochabend zum Trommelworkshop gekommen sind, wohnt sie im Containerdorf direkt neben dem Jugendtreff im Pfarrheim. Dort läuft seit Januar dieses Projekt des Helferkreises und des Jugendtreffs: Einmal im Monat treffen sich einheimische Jugendliche und Flüchtlinge, um Musik zu machen.

Sepp Müller, Chef der "Müsikwerkstatt" und Schlagzeuger der "Housemusi", leitet die Gruppe ehrenamtlich. Bisher hat seine Musikschule auch die Trommeln gestellt. Weil die Caritas 500 Euro aus dem Flüchtlingsfonds und die Schröder-Stiftung 196 Euro zugeschossen haben, konnten fünf eigene Trommeln angeschafft werden. Auch beim Lehrerkonzert im Alpenfestsaal seien 300 Euro gespendet worden, erzählt Müller. Wenn das Geld reicht, will er noch ein E-Piano und ein E-Gitarrenset anschaffen, damit die akustischen Gitarren von Meryem, Yezid und Anna an einen Verstärker angeschlossen werden können.

Müller findet es wichtig, dass für die Jugendlichen Instrumente zur Verfügung stehen, damit sich aus der Gruppe "selbst etwas entwickeln kann". Der Trommelworkshop ist ein offener Treff, bei dem es keine Rolle spielt, woher man kommt, wie oft man mitmacht. "Integration durch gemeinsames Musizieren", formuliert die Lenggrieser Ehrenamtskoordinatorin Annette Ehrhart das Ziel. Trommeln könne zum Ventil werden und eine therapeutische Wirkung entfalten. Am Mittwoch ist der kleine Raum voll: 15 Jugendliche zwischen 13 und 20 sind gekommen, aus Lenggries, Afghanistan, Syrien, Eritrea und dem Senegal.

Dass fast die Hälfte der Teilnehmer Flüchtlinge sind, freut die Koordinatorin. Denn gerade hat der muslimische Fastenmonat Ramadan begonnen; dann darf erst nach Einbruch der Dunkelheit gegessen und getrunken werden. Aber trommeln geht offensichtlich auch mit leerem Magen. Müller gibt auf der Cajon einen Rhythmus vor. Sofort steigen alle ein, schneller und schneller schlagen die jungen Leute mit der flachen Hand auf die Instrumente. Tempo und Lautstärke ziehen an, auf den Gesichtern macht sich ein Lächeln breit. "Es heißt ja schließlich Schlagzeug und nicht Schlafzeug", scherzt Müller. Das sei das Schöne am Trommeln: "Man braucht nix können, keine Noten, keine Akkorde." Nicht einmal eine gemeinsame Sprache. Wer keine Trommel hat, klatscht auf die Schenkel oder in die Hände. Saleh aus Eritrea, der seine Trommel an den Senegalesen Mbaye weitergegeben hat, spielt Luftgitarre. "Saleh ist unser Marathonläufer", erzählt Erhart. Einer, der immer nur läuft. An der Trommel entspannt sich sein schmales Gesicht allmählich. Die Zusammensetzung bei den Workshops ist unterschiedlich. Eine Konstante hat Müller festgestellt: "Je kleiner die Gruppe, desto größer die Hemmungen." Das gelte für alle, "für die Asylis wie für die Einheimischen".

In der Gemeinde leben zurzeit etwa 140 Flüchtlinge. Von den 70 verfügbaren Plätzen im Containerdorf seien etwa 50 belegt, sagt Ehrhart. Um halb neun ist Schluss mit Trommeln. Gemeinsam spielen sie noch einen Song: "Ho Hey" von The Lumineers, den kennen alle. Klaus singt, den Text liest er von einem Smartphone ab. Der Lenggrieser beginnt ein bisschen schüchtern, wird mutiger, weil ihn die anderen mit ihren Trommeln begleiten. Am Ende gibt es begeisterten Applaus - dann eilen die jungen Muslime ins Containerdorf, um zu essen.

© SZ vom 02.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: