Lenggries:"Stehen tut's guad!"

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Am Samstag um 12 Uhr ist es vollbracht: Helfer des Alpenvereins bringen das Gipfelkreuz in Position. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Schafreuter hat wieder ein anständiges Gipfelkreuz - 30 starken Männern sei Dank

Von Benjamin Engel, Lenggries

Samstagvormittag, kurz vor 11 Uhr. Am steilen Süd-Gipfelhang des Schafreuter oberhalb der Tölzer Hütte durchbricht nur das Krächzen der Bergdohlen die Stille - und die kurzen Kommandos von Hans Schwaiger: "Auf geht's!", "Aufpassen!", "Rast!", ruft er der Gruppe von rund 30 Männern in regelmäßigen Abständen zu. Ihnen steht der Schweiß auf der Stirn. Das liegt weniger am steilen, teils mit Seilen und Draht gesicherten Aufstieg, als an der Last, die sie mit sich schleppen. Die Alpenvereinsmitglieder und drei Almbauern wuchten einen etwa 120 Kilogramm schweren Haupt- und einen rund 60 Kilogramm schweren Querbalken für das neue Kreuz am Gipfel des 2102 Meter hohen Schafreuter nach oben.

Der schmale Steig windet sich oberhalb der Tölzer Hütte durch Latschen, Fels und Geröll bis zum Gipfel des an der Grenze von Bayern und Tirol gelegenen Berges. Ein geübter Wanderer schafft das mit ein wenig Kraxelei in einer Dreiviertelstunde. Die Mitglieder der Tölzer Alpenvereinssektion brauchen mit ihrer Last nur rund 25 Minuten länger. Als das Kreuz fast genau um Punkt zwölf Uhr in der Verankerung steht, fasst Paul Schenk, der Vorsitzende der Tölzer Alpenvereinssektion, seine Erleichterung in einem Wort zusammen: "Wahnsinn." Er ist froh, dass sich niemand beim Aufstieg verletzt und alles reibungslos funktioniert hat. "Das ist einfach ein Traum."

Vor knapp fünf Wochen hatte ein Unbekannter das alte, seit 13 Jahren auf dem Schafreuter stehende Gipfelkreuz mit der Axt so stark beschädigt, dass es aus Sicherheitsgründen entfernt werden musste. Dann stellten Mitglieder einer rechtsextremen Gruppierung einen dürren Ersatz auf. In den vergangenen Wochen haben nun sieben Tölzer Berufsschüler im dritten Lehrjahr aus der Zimmererklasse das neue Gipfelkreuz angefertigt. Der Tölzer Holzhändler Hans Dostthaler hat die massiven Eichenbalken der Tölzer Alpenvereinssektion gespendet.

Das neue Kreuz ist mit 4,70 Metern etwa 30 Zentimeter niedriger als das alte. Der Querbalken misst 2,77 Meter. Warum das neue Gipfelsymbol etwas kleiner ausgefallen ist, erklärt der 19-jährige Simon Abeltshauser aus Unterbuchen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Weil ein etwa 70 Zentimeter langer, tiefer Riss das eine Ende des Hauptbalkens durchzog, haben er und seine sechs Kollegen diesen lieber gleich unterhalb des Risses gekappt. So könne kein Wasser in den Eichenbalken eindringen und das Holz schädigen. Abeltshauser wollte unbedingt mithelfen, die Kreuzbalken auf den Gipfel zu bringen. Die Last auf dem schmalen Steig, das sei schon sehr anstrengend gewesen, sagt er. "Aber das tut man sich gerne auf." Um so größer sei die Freude hinterher, sagt der junge Mann in Zimmermannshose. "Ich bin überwältigt."

Etwa vier Stunden vorher, um kurz vor 8 Uhr, waren die ersten Alpenvereinsmitglieder an der Talstation der Materialseilbahn zur Tölzer Hütte nahe dem Gasthaus Kaiserwacht eingetroffen. Um diese Uhrzeit scheint ins Rissbachtal noch keine Sonne. Mit neun Grad ist es auf 850 Metern Seehöhe noch empfindlich kühl. Die beiden Eichenbalken liegen im Anhänger des Tölzer Alpenvereinsvorsitzenden Schenk. Mitglieder verladen sie in die Materialseilbahn. Die drei Kilometer zur auf 1800 Meter liegenden Bergstation surrt der Lastkorb in etwa 23 Minuten hinauf. Währenddessen gehen die Wanderer in kleinen Gruppen bergauf. Sie brauchen dafür etwa eineinhalb Stunden.

Von der Tölzer Hütte ist der Weitertransport nur noch zu Fuß möglich. Gegen 10 Uhr beginnen die Vorbereitungen für die kräftezehrende Passage. Unter den Hauptbalken wird eine Radkonstruktion montiert. Zudem zurren Männer mit Spanngurten vier Querhölzer fest, die als Transportgriffe dienen. Anton Glasl, Wegewart in der Tölzer Sektion, hobelt die scharfen Kanten der Querhölzer runder, damit sich die Träger keine Verletzungen holen. Acht Mann heben den Hauptbalken an den Querhölzern auf, zwei gehen voraus und ziehen das Holz zusätzlich mit Seilen nach oben. Vier weitere schleppen den kleineren Querbalken hinterher.

Hans Schwaiger - er betreut im Sommer auf der Moosenalm am Schafreuter als Senner Kühe und kennt sich deshalb aus - gibt die Kommandos. Vor 13 Jahren hat er bereits mitgeholfen, als der Alpenverein das Vorgängerkreuz am Berg aufstellen ließ. Er erinnert sich, dass damals etwa 25 bis 30 Leute mitgeholfen haben. 2003 seien sie mit den Balken den ganzen Weg vom Tal aus zu Fuß hinaufgegangen, rund fünf Stunden habe das gedauert. Das sei so Tradition gewesen. Das sieht Paul Schenk vom Alpenverein weniger eng. Der Sektionsvorsitzende hat die Freiwilligen für den Transport des Kreuzes zusammengetrommelt. Wozu hätte er ihnen eine so harte Plackerei vom Tal aus antun sollen, sagt er.

Schenk ist froh, dass das Wetter am Samstag mitspielt und es trocken bleibt. Denn bei Nässe wäre der Steig zu gefährlich gewesen. Als alternative Möglichkeit zum Transport auf den Gipfel wäre dann nur ein Lastenhubschrauber infrage gekommen.

Gegen 11.30 Uhr haben die Alpenvereinsmitglieder ihre Last auf den Gipfel gebracht. Mit einem Hammer holt Abeltshauser aus und schlägt die Kerben von Haupt- und Querbalken perfekt ineinander. Dann verschraubt Max Nichtl, Hüttenwart der Tölzer Alpenvereinssektion, die mit einem Edelweiß verzierte runde Eisenplatte am Kreuzungspunkt von Haupt- und Querbalken. Jetzt fehlt nur noch der Blitzableiter. Als er montiert ist, wuchten Männer das Kreuz mit gemeinsamer Kraftanstrengung in die Metallhalterung.

"Stehen tut's guad", hallt es über den Berggipfel. Dann fehlt nur noch der Metallkasten für das Gipfelkreuz und ein wenig Lack an den Metallteilen für den Wetterschutz. Als alles so weit fertig ist, beten die Helfer gemeinsam das "Vaterunser".

Den kirchlichen Segen soll das Gipfelkreuz am Wochenende bekommen. Nach Auskunft von Paul Schenk wird Pater Thomas am Samstag, 8. Oktober, zum Gipfel des Schafreuter aufsteigen, wobei er natürlich wieder von Mitgliedern des Alpenvereins begleitet wird. Auch eine Abordnung der Tölzer Stadtkapelle wird mit dabei sein. Die Segnung ist für 15 Uhr angesetzt. Am Sonntag, 9. Oktober, folgt eine Bergmesse an der Tölzer Hütte zum Saisonabschluss, sie beginnt um 11 Uhr.

Bilder unter www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/lenggries-der-schafreuter-hat-wieder-ein-gipfelkreuz-1.3188056

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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