Lenggries:Fest der verbundenen Stämme

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Beim internationalen Flößertreffen in Lenggries feiern 300 Vertreter der Zunft aus ganz Europa ihr Handwerk - auf den Fluss dürfen sie nicht

Von Claudia Koestler, Lenggries

Wie Huckleberry Finn auf einem Floß treibend in den Tag hinein zu leben? So war die Arbeit auf der Isar ganz und gar nicht. Flößerei auf der "Reißenden" war ein Knochenjob und höchst gefährlich. Das Internationale Flößertreffen, das am vergangenen Wochenende erstmals in Lenggries stattfand, hielt die Tradition dieses jahrhundertealten Handwerks hoch - und hat es mit einem mitreißenden und lehrreichen Fest über alle Grenzen hinweg geehrt.

Zwar fährt von Lenggries aus seit 1949 gar kein Floß mehr, weil die Isar inzwischen dort wegen der Ableitung des Rissbachs zu wenig Wasser führt. Doch Lenggries war einst die Flößerhochburg schlechthin: Erstmals schriftlich erwähnt wurden Fuhren auf der Isar 1347, Hinweise auf gewerbliche Floßfahrten gibt es sogar noch früher, nämlich mit einer Warnung vor gefährlichen Stromschnellen bei Fall aus dem Jahre 1280. Von Lenggries aus, so ist ebenfalls belegt, wurde mehr Holz nach München oder bis Wien transportiert als aus anderen Kommunen. Und bis heute halten die Mitglieder des Holzhacker- und Flößervereins Lenggries die Tradition und die Erinnerung an den schnellen Wasserweg zum Transport von Gütern und Personen lebendig.

Und so entdeckten am Samstag beim Flößerfest mit Markttreiben nicht nur Tausende Urlauber und Interessierte alles über die Flößerei und die mit ihr verbundenen Handwerke und Geschichten. Zum viertägigen Internationalen Treffen der Internationalen Flößervereinigung waren mehr als 300 Zunftvertreter aus ganz Europa gekommen. Mitglieder aus acht deutschen Flößervereinen und je vier Vereinen aus Frankreich und Österreich, je zwei Vereinen aus Spanien, Slowenien, Tschechien, Italien und Finnland sowie eines polnischen Vereins waren in die Isargemeinde gereist, um sich auszutauschen, zu fachsimpeln, die jahrhundertealte Tradition zu feiern und neue Bande zu knüpfen.

"Irgendwie gleich, aber doch anders": Mit diesen Worten beschrieben zum Beispiel Christian La Fay und Xavier Montagny die Unterschiede der Flößerei in ihrer Heimatregion, dem französischen Jura, und anderen europäischen Ländern. Bei ihnen diente die Flößerei zum Beispiel nur dazu, Holz für den Schiffsbau zu transportieren, keine anderen Güter oder gar Personen. Doch als um 1900 Dampfboote aus Metall in Mode kamen, war es mit dem Transport von Schiffsholz auf Wasserwegen vorbei. Heute diene die Flößerei nurmehr der touristischen Attraktion.

Doch regelmäßig besuchen die beiden internationale Flößertreffen. Zum einen, "weil uns der Austausch wichtig ist, über die unterschiedlichen Techniken des Flößens, aber auch von Mensch zu Mensch", erklärten sie. Denn: "Flößerei, das ist Passion und Leidenschaft, die man über Grenzen hinweg teilt".

Ursprünglich hatten die Lenggrieser Veranstalter geplant, am Freitag eine Floßfahrt mit ihren Gästen zu unternehmen: Von Wolfratshausen aus sollte es über die Pupplinger Au zur Floßrutsche am Kraftwerk Mühltal und bis nach München gehen. Doch ausgerechnet Wasser bremste die Flößer aus: "Der Flusspegel stand einfach zu hoch", erklärte Stefan Oettl vom Lenggrieser Holzhacker- und Flößerverein. Alternativ hatten sie deshalb den Gästen nur die Vorbereitungen für Passagierfahrten an Land gezeigt, schließlich sind die Flöße auf der Isar mit bis zu 18 Metern größer als die meisten in anderen Ländern. Italiener etwa nutzten fünf Meter lange und 2,50 Meter breite Flöße, Polen hingen mehrere kleine Flöße hintereinander zu einem "Strick", und Finnen ketteten Baumstämme zusammen, um sie mit Schleppern über die Seen zu transportieren, erklärten Oettl und Josef Willibald senior.

Nach dem Besuch der Floßlände Wolfratshausen besichtigten die Lenggrieser mit ihren Gästen noch die Floßrutsche Mühltal. Den Rest des verregneten Tages verbrachten sie indes lieber gemeinsam in luftigen Höhen, am Brauneck. Aber wenn sich jemand mit Wasser auskennt, sind es die Flößer. Und so ließen sie sich auch nicht die Laune verderben am Samstag im Lenggrieser Zentrum beim bunten Markttreiben rund ums Rathaus. Vor der Kulisse der geschmückten Marktstraße und eines aufgebauten Holzfloßes zeigte ein Schmied beispielsweise wie Schleifhaken und Floßschnallen entstehen, die zum Transport des Holzes und zur Fixierung der Stämme dienen. Säckler, Korbflechter und Drechlser zeigten ihr Handwerk, Künstler und Gaukler unterhielten die Besucher, und das Heimatmuseum erzählte die Historie der Flößerei im Ort.

Weibliche Flößerinnen kennt die Geschichte übrigens nur wenige, eine von ihnen aber stammte aus Lenggries: Anna Simon, Schwester eines ehemaligen Lenggrieser Bürgermeisters. Doch wie hart ihr Leben gewesen sein muss, belegt ein altes Sprichwort: "Flößerfrauen sind arme Menschen. Im Sommer haben sie keinen Mann und im Winter kein Geld".

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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