Leben für die Musik:Alle Register gezogen

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Der Gaißacher Orgel-Enthusiast Sepp van Hüllen hat zusammen mit dem Musiker Hansjörg Albrecht zehn Jahre lang die besten Organisten der Welt nach Bad Tölz geholt

Von Stephanie Schwaderer, Gaißach

Sepp van Hüllen ist ein außergewöhnlicher Preisträger, schon deshalb, weil er sich über die Isar-Loisach-Medaille nicht wirklich freuen kann und dies offen zugibt. "Ich werde für etwas geehrt, das ich gerade aufgegeben habe", sagt er. "Etwas, das Vergangenheit hat, aber keine Zukunft." Vor einer Woche sind die "Tölzer Orgelfesttage 2018" mit einem fulminanten Konzert des Münchner Bach-Orchesters ausgeklungen. 150 begeisterte Gäste saßen in der Stadtpfarrkirche. "Für mich war das ein schöner Moment, aber auch ein trauriger", sagt er. "Tölzer Orgelfesttage 2019" wird es nicht geben. Und das, obwohl bei ihm Anfragen von Organisten aus der ganzen Welt eingehen.

Dem gebürtigen Krefelder, der sich Ende der Siebzigerjahre in Gaißach niedergelassen hat, ist es zu verdanken, dass Bad Tölz sich einen Ruf als Orgelstadt erworben hat. Das ist schon deshalb ein kleines Wunder, weil keine der Tölzer Kirchen ein außergewöhnliches Instrument vorzuweisen hätte. Auch die Orgel in der Stadtpfarrkirche ist nur von mittelmäßiger Qualität. Herausragend waren jedoch die Musiker, die in den vergangenen zehn Jahren an ihr Platz genommen haben: Alexander Fiseisky aus Moskau, Martin Baker aus London, Kalevi Kiviniemi aus Finnland, Pierre Pincemaille aus Frankreich oder Paolo Oreni aus Italien. "Die Crème de la Crème der Organisten war hier", sagt van Hüllen. Das sei vor allem seinem Mitstreiter Hansjörg Albrecht zu verdanken, dem Leiter des Münchner Bach-Chors und des Münchner Bach-Orchesters. "Er hat uns durch seinen Namen viele Türen geöffnet."

Die beiden Männer waren sich 2007 in Finnland begegnet. Van Hüllen, pensionierter Manager und Klassikenthusiast, war wie so oft zum Kuhmo Chamber Music Festival gereist. Eines Abends kam er dort mit Albrecht, dem Künstler aus München, ins Gespräch. Die Nacht endete mit drei leeren Flaschen Rotwein, einer frisch geschlossenen Freundschaft und der Idee, in Bad Tölz eine neue Klassikreihe zu starten. Ein Jahr später wurde der Verein "Freunde und Förderer der Orgelkunst im Tölzer Oberland" gegründet.

Zehn Jahre lang verfolgten van Hüllen als Vereinsvorsitzender und Albrecht als künstlerischer Leiter ein einzigartiges Konzept: Sie traten eine Europareise an der Orgel an. Jedes Jahr standen ein oder zwei europäische Länder im Mittelpunkt, sowohl die Auswahl der Gastmusiker als auch das Programm waren ganz darauf abgestimmt. "Und wir haben es fast geschafft", bilanziert van Hüllen. "Nur die Iberische Halbinsel hat uns noch gefehlt."

Der 79-Jährige ist schwer krank. Im Mai gab er bekannt, dringend einen Nachfolger zu suchen. Ein Wunsch, der sich nicht erfüllt hat. Im Januar soll der Verein ein letztes Mal zusammenkommen und die Auflösung beschließen. "Schade, dass damit zehn Jahre Erfahrung verloren gehen", sagt van Hüllen. Enttäuscht ist er auch über die mangelnde Unterstützung seitens der Stadt. "Wir haben über die Jahre keinen Cent Förderung bekommen." Die Defizite, die bei fast allen Konzerten entstanden, hat er aus eigener Tasche bezahlt. Verbittert ist er dennoch nicht. "Es war ein schöner Weg, den wir gemeinsam gegangen sind."

Einen Tag im Kalender können sich Orgelfreunde aber schon einmal anstreichen: den Pfingstdienstag, 11. Juni. "Wenn ich es schaffe, wird es zu meinem Geburtstag ein großes Konzert in der Stadtpfarrkirche geben", sagt van Hüllen. An der Orgel soll Albrecht sitzen, der auch das Programm auswählt. Ein Stück von Bach und eines von Messiaen hat van Hüllen sich gewünscht. Bei den Plakaten will er noch einmal auf die Optik der Orgelfesttage zurückgreifen. "Und der Eintritt wird frei sein."

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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