Landgericht München II:Nach Blinddarm-OP in Lebensgefahr

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Eine 29-jährige Geretsriederin wäre nach einer Operation in der Kreisklinik Wolfratshausen fast an Darmverschluss gestorben. Nun verklagt sie das Krankenhaus.

Andreas Salch

"In guten Händen" - so lautet das Motto auf der Internetseite der Kreisklinik Wolfratshausen. Für eine heute 29-jährige Kauffrau aus Geretsried wurde der Aufenthalt in der Klinik am Moosbauerweg jedoch zum Alptraum. Im Mai 2008 hatte sie sich dort den Blinddarm entfernen lassen. Eine Routine-Operation, möchte man meinen. Doch wenige Tage nach dem Eingriff hing das Leben der Geretsriederin an einem seidenen Faden. Sie wäre fast gestorben, weil Ärzten der Kreisklinik ein dramatischer Fehler unterlaufen sein soll.

Vor dem Landgericht München II hat die junge Frau die Kreisklinik jetzt auf Schadensersatz in Höhe von 100 000 Euro verklagt. Den Streitwert gibt Rechtsanwältin Claudia Thinesse-Wiehofsky, die die Geretsriederin vertritt, mit insgesamt 160 000 Euro an.

Eine Woche nach der Entfernung ihres Blinddarms klagte die Geretsriederin über "extreme Bauschmerzen" und über Verstopfung. Sie begab sich erneut in die Klinik und schilderte ihre Beschwerden. Seltsamerweise wurde im Aufnahmeprotokoll aber vermerkt, die Patientin leide an Durchfall. "Davon war nie die Rede", beteuerte die 29-Jährige am Dienstag vor dem Landgericht München II. Es vergingen vier Tage, in denen die Geretsriederin sich immer wieder erbrechen musste. Die Ärzte der Kreisklinik hätten in diesen vier Tagen nicht erkannt, dass seine Mandantin einen Darmverschluss hatte, sagt Rechtsanwältin Thinesse-Wiehofsky. Schlimmer noch: Das Pflegepersonal soll sich um die 29-Jährige kaum gekümmert und ihr sogar vorgeworfen haben, sie sei eine Simulantin.

Doch das war nicht der Fall. Erst am vierten Tag nach ihrer Aufnahme wurde die Geretsriederin einer Notoperation unterzogen. Einen Tag später kollabierte sie. In der Nacht auf den 9. Juni 2008 verschlechterte sich ihr Zustand so sehr, dass sie in das Innenstadtklinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München in der Nussbaumstraße verlegt werden musste.

Die Ärzte dort versetzten die Geretsriederin in ein künstliches Koma. Sie wurde sofort operiert. Dabei kam es mehrmals zu einem Herzstillstand. Glücklicherweise gelang die Wiederbelebung. Der ersten OP folgten drei weitere. Die Diagnose der Münchner Mediziner: Akuter Darmverschluss, extreme Darmverwucherungen, Blutvergiftung und Leberversagen sowie eine Reihe weiterer schwerwiegende Befunde.

Mehr als einen Monat lang kämpften die Ärzte auf der Intensivstation des Innenstadtklinikums um das Leben ihrer Patientin. Sie lag zwei Wochen im künstlichen Koma. Anschließend befand sich die Kauffrau fast drei Wochen auf Normalstation. Es folgten weitere drei Wochen Reha. Danach wurde ihr im Klinikum in der Nussbaumstraße ein künstlicher Darmausgang zurückverlegt. Die Geretsriederin war bis 1. Dezember 2008 krank geschrieben. Und heute?

Äußerlich sieht man der 29-Jährigen nichts an. Von der Mitte ihrer Brust bis zum Schambein zeugt aber noch eine Narbe von dem Eingriff. Diese wurde inzwischen kosmetisch korrigiert, ist aber noch sichtbar und schmerzt. Ärzte hätten ihr gesagt, so die Frau, es sei unklar, ob sie jemals wird Kinder bekommen können. Die Anwältin der Kreisklinik nahm zunächst keine Stellung zu den Vorwürfen. Eine Einigung im "derzeitigen Stadium" sei nicht möglich, sagte sie. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

© SZ vom 20.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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