Landgericht München II:Belästigung oder Rache

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Ein Tölzer muss sich vor Gericht wegen sexueller Nötigung verantworten. Im Prozess steht Aussage gegen Aussage.

Andreas Salch

"Allah ist da oben", sagte der Angeklagte fast trotzig und deutete dabei mit der Hand nach oben. Adil A. ( Name von der Redaktion geändert) ist gläubiger Muslim. Er betet fünfmal am Tag in der Moschee, und der Richterin am Landgericht München II, wo er seit Montag wegen sexueller Nötigung angeklagt ist, versicherte er gleich mehrmals, dass er mit seiner Frau eine "Super-Ehe" führe.

"Ich schäme mich, dass ich hier bin", bekannte Adil A. Doch damit wollte er nicht andeuten, dass er sich schuldig fühle. Im Januar vergangenen Jahres hatte sich der 34-jährige Familienvater aus Bad Tölz wegen der Vorwürfe bereits vor dem Amtsgericht Wolfratshausen verantworten müssen - und wurde freigesprochen. Gegen diese Entscheidung legte jedoch das mutmaßliche Opfer, eine 27-jährige Frau aus Bad Tölz, ebenfalls streng gläubige Muslima, über ihre Anwältin Berufung ein. Aber auch die Staatsanwaltschaft beantragte Berufung und so wird ein Fall, bei dem es allem Anschein nach um Familienehre und Geld geht, noch einmal aufgerollt.

Nachdem die angeblichen sexuellen Übergriffe bekannt geworden waren, ging ein Riss durch die Familie des mutmaßlichen Opfers und die des Angeklagten. Zuvor waren beide Nachbarn und sogar eng miteinander befreundet. Zwischen den Angehörigen beider Familien, die aus dem anatolischen Teil der Türkei stammen, kam es wegen der angeblichen Übergriffe auf die 27-Jährige zu Massenschlägereien und gegenseitigen Anzeigen. Inzwischen soll sich die Situation beruhigt haben. Doch mit der neuerlichen Verhandlung vor dem Landgericht könnten alte Gräben wieder aufgerissen werden, fürchtete selbst die Richterin der 8. Strafkammer, bevor sie mit der Vernehmung von Adil A. begann. "Alles wegen einer Lüge", mischte der sich ein. "Ja, nur wer lügt, das ist das Problem," befand die Richterin.

Adil A. soll die 27-Jährige im Dezember 2009 und zwei weitere Male Anfang 2010 sexuell bedrängt haben, so lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Adil A. sagte, er habe sich nichts vorzuwerfen und fügte hinzu: "Es geht wohl nur ums Geld." Dem Ehemann des mutmaßlichen Opfers habe er im Sommer 2009 tausend Euro für eine Pilgerreise ausgeliehen. Als auch die 27-Jährige ihn gebeten habe, ihr 400 Euro zu borgen, habe er nein gesagt, so Adil A.. Daraufhin soll diese ihm gedroht haben: "Dir werde ich es zeigen."

Ihre Mandantin leide wegen der mutmaßlichen Vorfälle und befände sich in psychiatrischer Behandlung, berichtete die Anwältin der 27-Jährigen. Nach dem Freispruch durch das Amtsgericht hätten sich die Symptome nochmals verstärkt, so die Nebenklägervertreterin. Die 27-Jährige werde von Landsleuten als "Hure" bezeichnet, sagte die Anwältin. Die Vernehmung der Frau fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Prozess dauert an. Andreas Salch

© SZ vom 17.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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