Kurzkritik: Orgelfesttage:Vom Barock bis in die Gegenwart

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Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

Pünktlich um halb acht beginnt die Orgel in der Stadtpfarrkirche zu spielen. Ohne Einführung. Hansjörg Albrecht, musikalischer Leiter der Tölzer Orgelfesttage, wollte den Abend mit Musik anfangen. Erst nach der Toccata von Bohuslav Černohorský kommt er hervor, begrüßt das Publikum und erläutert das Programm. "Von der Moldau an die Donau" ist das Motto. Orgelmusik aus Tschechien, der Slowakei und Ungarn soll heuer zu hören sein. Das musikalische Problemkind dabei ist die Slowakei, die kaum eine eigenständige Musiktradition aufweist. Selbst Albrecht, sonst immer für eine Ausgrabung gut, hat kein Werk mit slowakischem Bezug auf sein Programm gesetzt.

Albrecht hatte sich Unterstützung in Gestalt der Oboistin Blanka Gleisner geholt. Da es so gut wie keine Originalliteratur für Orgel und Oboe gibt, bestand das Programm fast nur aus Bearbeitungen. Gleisner spielte mit rundem, ausgeglichenem Ton, und die beiden Instrumente mischten sich so gut, dass die Oboe stellenweise wie ein Orgelregister klang. Nach einer Triosonate von Jan Dismas Zelenka schockte Albrecht die Hörer mit einer schrillen Dissonanz: der Beginn eines Werks von Antonín Dvořák. Man staunte: so modern kann Dvořák sein. Ein Höhepunkt des Abends war die Legende des Franz von Paula auf den Wogen schreitend, eigentlich ein Klavierstück von Franz Liszt, das sich Albrecht für die Orgel zurechtgelegt hatte. Der Organist nutzte die Klangmöglichkeiten des Instruments voll aus. Was das Klavier gegenüber der Orgel an Brillanz voraushat, wurde durch Farbkontraste und grandiose Steigerungen wettgemacht. Liszt, der ja selbst ein großer Orgelspieler war, wäre begeistert gewesen. Ein weiterer Höhepunkt, allerdings nicht ohne Längen, war der Zyklus "Okna" von Petr Eben, mit dem der Komponist vier Fenster von Marc Chagall musikalisch umsetzt. Mit diesem Werk klang das offizielle Programm aus, und Albrecht und Gleisner kamen nach unten, wo sie noch zwei Zugaben im Altarraum spielten.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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