Kunstgießerei Kirchner & Schnappinger:Jubiläum und Abschied

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Mit seiner umfassenden Erfahrung begeistert Erich Sauer (rechts) die Akademie-Teilnehmenden wie Klaus-Jürgen Rückel. (Foto: Hartmut Pöstges)

Zum zehnten und wahrscheinlich letzten Mal leitet Bildhauer Erich Sauer die Sommerakademie in Ascholding

Von Wolfgang Schäl, Dietramszell

Zwei Wochen lang darf geplant, diskutiert, entworfen und in heiter-entspannter Atmosphäre gelacht und geplaudert werden: In Ascholding hat sich wieder die "Sommerakademie" zusammengefunden, diesmal zu einem kleinen Jubiläum, das eher beiläufig zur Kenntnis genommen wurde. Zum nunmehr zehnten Mal haben sich die Teilnehmer unter dem Mentor und väterlichen Ratgeber Erich Sauer in der Ascholdinger Kunstgießerei Kirchner & Schnappinger getroffen. Keine Ansprachen, zum Auftakt das obligatorische Gläschen Sekt, viel Erfahrungsaustausch und dann sogleich zur Arbeit in der Werkstatt, die in einer vermeintlichen Unordnung im Überfluss alles bietet, was kreatives Schaffen so verlangt. Tausend Gerätschaften, Handwerkszeug aller Art, Farbtöpfe und die übereinander gestapelten, unfassbar schweren Bronzebarren, die in der umgebauten Ascholdinger Scheune zum Einschmelzen bereitliegen.

Die aus der gesamten Republik angereisten Gäste kennen einander gut, und wie es scheint, hat sich die Bildhauerei, zumindest hier, zu einer ausgesprochen weiblichen Domäne entwickelt. Denn von den zwölf Versammelten sind elf Frauen. Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft, die erklärtermaßen froh ist um die wertvollen Ratschläge des Routiniers Erich Sauer, einem international renommierten und hochdekorierten Bronzebildhauer aus dem pfälzischen Frankental.

Sauer ist mittlerweile 90 Jahre alt und hat heuer erst nach anfänglichem Zögern die Anstrengungen der Reise in die Gemeinde Dietramszell auf sich genommen. Sein engagiert humanistisch geprägtes Lebenswerk ist schier unüberschaubar und in einem fast 400 Seiten umfassenden Bildkatalog dokumentiert, der zu seinem 80. Geburtstag erschienen ist. Damals würdigte ihn der damalige Ministerpräsident Kurt Beck, bereits 1994 wurde ihm als erstem Künstler von "Artists for Peace" eine Ausstellung im Palais des Nations in Genf gewidmet, zum diesjährigen runden Geburtstag Sauers blieb auch ein Glückwunsch aus dem rheinland-pfälzischen Wissenschafts- und Kulturministerium nicht aus. In seiner Dokumentation hat er ein eigenes Kapitel dem schwierigen technischen Verfahren gewidmet. "Der Bronzeguss - Nöte, Ängste und Freuden" ist es überschrieben.

Ungeachtet solcher Würdigungen stehen in der Ascholdinger Akademie die handwerklichen Aspekte im Vordergrund, für die auch Betriebsinhaber Karl-Heinz Schnappinger wertvolle Unterstützung leisten kann. Er ist seit 40 Jahren Kunstgießer und ein profunder Kenner der verschiedenen, allesamt komplizierten und langwierigen Ausschmelzverfahren, bei denen eine Menge schiefgehen kann - im ungünstigsten Fall führt ein geringes Missgeschick dazu, dass eine Gussform zerstört wird und die künstlerische Arbeit von Wochen und Monaten verloren geht. Auch Erich Sauer weiß aus seiner eigenen langjährigen Arbeit um solche Risiken und Rückschläge. "Es ist alles sehr anstrengend. Aber es macht Spaß."

Genauso viel Freude bereiten die beiden Sommerwochen den Gästen der Akademie. Uli Pospiech zum Beispiel, die aus Baden-Württemberg angereist ist, und das Ascholdinger Angebot seit 2012 wahrnimmt. "Bronzeguss ist meine Leidenschaft", sagt die Künstlerin, die vor allem auf Wachsausschmelzverfahren setzt und diesmal nur gekommen ist, um eine bereits gegossene Torso-Skulptur nachzubearbeiten. Sie betont aber auch ausdrücklich die angenehme Atmosphäre: "Es ist mir wichtig, dass wir uns alle nicht nur bei der Arbeit gut verstehen, wir reden viel zusammen, kochen gemeinsam, man kann alles freundschaftlich miteinander besprechen." Ein besonderes Glück ist für sie die Gegenwart von Erich Sauer. In seinem Sinne wolle man auf jeden Fall weiterarbeiten, wenn er die Anstrengungen der Reise und der fachlichen Betrauung einmal nicht mehr auf sich nehmen kann. "Eine nette Truppe" hat sich auch nach dem Urteil von Ruth Viereck in dem oberbayerischen Dorf zusammengefunden. Sie ist erst zum zweiten Mal dabei und hat bei ihrer ersten Teilnahme nur Zeichnungen angefertigt, die sie jetzt auf eine Wachsplatte übertragen will. Für neue Ideen hat sie immer ein Notizbuch parat, damit ihr mögliche Konzeptänderungen nicht verloren gehen. "Denn manches habe ich im Kopf, manches aber auch nur im Bauch."

Gewissermaßen der Hahn im Korb ist diesmal Klaus-Jürgen Rückel, der sich als Mann aber keineswegs auf verlorenem Posten sieht. "Hier waren schon immer mehr Frauen, obwohl die Gießerei traditionell eher eine Männerdomäne ist", erklärt der Künstler, der ein eigenes Atelier in Nürnberg betreibt, und diesmal ein Bozzetto mitgebracht hat, ein Miniaturmodell einer überlebensgroßen Skulptur. Er tendiert zu einer "abstrahierenden Formensprache, die sich ans Kubistische anlehnt", diesmal drei Stelen, die aus verschiedenen übereinander gestapelten Schichten bestehen und den Namen "Divers" tragen.

Dass er solche Miniaturen anfertigt, hat nicht zuletzt ökonomische Gründe - sie seien einfach leichter verkäuflich als überlebensgroße Plastiken, die ja sehr große Kosten beim Gießen verursachten. Auch Rückel ist froh über die entspannte Arbeitsatmosphäre beim Ascholdinger Workshop: "Das wirkt sich übers ganze Jahr hinweg befruchtend aus."

www.bronze-art.de

© SZ vom 21.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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