Kunst im Landkreis:Farben, die Räume öffnen

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Die Ickinger Künstlerin Reinhild Stötzel malt nur noch bunte Streifen. Ein Besuch in ihrem offenen Atelier zeigt, wie spannend diese bunte Auseinandersetzung sein kann

Von Barbara Szymanski, Icking

Reinhild Stötzel hält sich nicht auf mit Erklärungen über Stil oder Schaffensepoche: "Ich male Streifen", sagt sie nur. Nicht so konsequent reduziert und kraftstrotzend wie Sean Scully oder Gerhard Richter, sondern bewegt, lichtflirrend mitunter. Ihre Farben öffnen Räume von größter Stille bis zur äußersten Bewegung. Wer lange hinschaut und dann die Augen schließt, bekommt sogenannte Nachbilder gratis dazu. Man muss die Augen wieder öffnen, um noch einmal in diese an sich ereignislosen Szenen einzutauchen: Streifen eben. Nichts als Streifen. Doch so klar, dass diese einladen zu neuen ästhetischen Abenteuern. In ihrem wie immer übersichtlich aufgeräumten Atelier in Icking-Dorfen präsentiert die Künstlerin ihre neuesten Kompositionen dieser Schaffensperiode im kleinen und mittleren Format zusammen mit gegenständlichen Arbeiten. Anlass sind die alljährlich im Advent stattfindenden Tage ihres offenes Ateliers - bis einschließlich Sonntag, 13. Dezember, mit den bekannten Corona-Auflagen.

Wie die Streifen zur Ickinger Malerin und ehemaligen Kunsterzieherin kamen, das weiß sie nicht so genau. Vielleicht als späte Reflexion über die Begegnung mit der Kunst des Bauhauses während ihres Studiums an der Akademie in München. Aber präsent sind sie stets in ihrer Malerei - wenn sie nicht gerade Blumen oder Landschaften auf Leinwand bringt. Stötzel geht es um die Gesetzmäßigkeiten in der Malerei, wie man diese spannend ausformulieren kann und ob sich die Farbverläufe der Streifen mit Ölfarbe wiederholen lassen. "Manchmal bin ich selber überrascht, was sich entwickelt", sagt sie. "Dann muss ich interagieren." Und genau das fesselt sie derzeit so sehr wie weiland während ihres Studiums in den wilden 1960er-Jahren die Tatsache, dass sie die Ausfahrt zur Rationalität in der Malerei nahm und dennoch das Unwägbare dazu geschenkt bekam. Die Streifen-Kompositionen sind zwar vordergründig statisch und geben dem Betrachter Orientierung. Doch dann kommt Bewegung in diese Ordnung. Und das erreicht die Malerin durchs Ausprobieren von Farbgesetzen. Nicht die Harmonie ist das Ziel, sondern die malerische Progression.

"Ich male Streifen", sagt Reinhild Stötzel, ohne sich mit weiteren Erklärungen aufzuhalten. In ihrem Atelier im Ickinger Ortsteil Dorfen taucht die Künstlerin den Pinsel in viele unterschiedliche Farben, die sie mit großer Konzentration und Gelassenheit auf der Leinwand ineinander verschwimmen lässt. (Foto: Manfred Neubauer)

Reinhild Stötzel malt jeden Nachmittag, derzeit eben Streifen - mal horizontal, mal vertikal. "Das ist wie meditieren. Ich erhole mich dabei", sagt sie mit feinem Lächeln und taucht einen breiten Pinsel mit Kunststoffhaaren in ein Rotbraun, um dann mit ruhigen Bewegungen, hoher Konzentration und Präzision diese farbliche Sequenz in der Nähe eines Chromrots zu platzieren. Zu ihren Lieblingsbildern gehört jedoch die Serie "Verheißung", wie sie sagt. Hierbei geht es nicht um Progression, sondern Reduktion. Ein schmaler vertikaler Streifen artikuliert die Bildmitte. Ruhige Farben umgeben diesen wie ein Vorhang, den der Betrachter am liebsten öffnen würde. Vollkommene Ruhe in einem Bild kann eben auch die Fantasie anregen.

Es gibt bei den Ateliertagen von Reinhild Stötzel nicht nur Streifen zu sehen - sommerliche, herbstliche, ruhige, laute - sondern auch eine Auswahl aus anderen Schaffensperioden wie die klar formulierten oder impressionistisch konzipierten Landschaftsbilder aus Oberbayern, Blumen oder ihre Serie mit überdimensionalem Obst zum Reinbeißen. Hier bestechen die sorgfältig ausgewählten Valeurs der Farben und die bei näherem Hinsehen erkennbaren vertikalen Pinselstriche. Es müssen Tausende sein.

Vertikale Variationen: In ihren Bildern geht es Reinhild Stötzel um Farbverläufe, ihre Wirkung und die Gesetzmäßigkeiten der Malerei. (Foto: Manfred Neubauer)

Reinhild Stötzel "Offenes Atelier", Wolfratshauser Straße 2, Dorfen-Icking bis Sonntag, 13. Dezember. Anmeldung unter 0179/777 02 77, maximal jeweils zwei Besucher, die Corona-Bedingungen müssen beachtet werden.

© SZ vom 07.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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