Kultur in Bad Tölz:Tiefgründiges unterm Schnitzelhimmel

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Vor zehn Jahren haben Tino Kellner und Claus Hühnlein das "Gasthaus" in Bad Tölz eröffnet. Die Konzerte und Kabarettabende im Gewölbekeller sind ein Verlustgeschäft, gehören aber fest zum Programm

Von Stephanie Schwaderer, Bad Tölz

Wirft man das Schnitzel in die Waagschale, kann Tino Kellner mit seinem Kompagnon schwerlich mithalten: 130 000 Schnitzel in Bierbrotpanade hat Claus Hühnlein in den vergangenen zehn Jahren im Tölzer "Gasthaus" gebrutzelt. Sieben Meter tiefer hat Kellner in dieser Zeit immerhin 160 Kulturabende über die Bühne gebracht. Und was der 45-jährige Gastronom an der Bahnhofstraße Musik- und Kabarettfreunden präsentiert, kann sich sehen lassen. Die kleine Bühne unterm Backsteingewölbe ist bei Künstlern gefragt und hat immer wieder angehende sowie anerkannte Stars angelockt.

Abende, die Kellner besonders in Erinnerung geblieben sind, waren etwa die Auftritte von Django 3000. Als die Jungs aus dem Chiemgau das erste Mal ihren bayerischen Balkan-Beat in Tölz erschallen ließen, kannte keiner ihren Namen. Nach dem Durchbruch mit Songs wie "Heidi" traten sie nur noch in großen Hallen auf. "2016 waren sie dann aber noch einmal unplugged bei uns", erzählt Kellner. "Sie saßen mitten unter den Zuschauern - das war ein ganz besonderes Konzert."

Gefragte Location: Der Gewölbekeller des "Gasthauses" ist nicht nur bei Künstlern beliebt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Auch Claus von Wagner, Harry G. und der Keller Steff sind schon im "Gasthaus" aufgetreten, ebenso wie der Schlagzeuger Pete York oder der Genesis-Sänger Ray Wilson. An solchen Abenden brodelt es im Keller. Andere Gastspiele wurden überraschenderweise Flops. "Kabarettisten, die nicht aus Oberbayern stammen, haben es tendenziell schwer in Tölz", sagt Kellner. Und je anspruchsvoller die Musik werde, desto schwieriger sei es, Karten zu verkaufen. "Ist nicht so einfach mit der Kultur." Die Erfahrung hat ihn gelehrt, dass er im Sommer wenige bis gar keine Veranstaltungen mehr anbietet, "weil sich da keiner in einen Keller setzen will". Im Frühjahr und Herbst hingegen darf das Programm etwas üppiger sein. "Aber nicht zu viel, denn im Kurhaus ist ja auch einiges los." 15 Abende im Jahr seien "ein gutes Pensum - da haben alle etwas davon".

Geld ließe sich mit Kultur nicht verdienen, bilanziert Kellner. Dafür seien dann doch eher die Schnitzel ausschlaggebend. Aber dass Kultur im "Gasthaus" zum Programm gehöre, habe für Hühnlein und ihn von Anfang an außer Frage gestanden. Die Idee, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, hatten die beiden Tölzer schon vor 17 Jahren. Hühnlein lernte damals als Koch im "Alten Fährhaus", Kellner kam gerade aus München in seine Heimatstadt zurück. Fünf Jahre lang hatte er als Geschäftsführer der Muffathalle gearbeitet. Nun wollte er etwas Eigenes aufziehen.

Claus Hühnlein (links) und Tino Kellner lassen sich einiges einfallen, um ihre Gäste bei Laune zu halten. (Foto: Thomas Greil)

Zunächst fand sich kein geeignetes Lokal. Kellner eröffnete eine kleine Bar in der Nockhergasse, die er kurz und bündig "Kellners" nannte. Hühnlein ließ sich zum Hotelbetriebswirt und Küchenmeister ausbilden und arbeitete als Chefkoch in Fünf-Sterne-Häusern in Dubai und Berlin. Ein Bargast erzählte Kellner irgendwann, dass an der Bahnhofstraße die alte Brauerei und angrenzende Gebäude renoviert würden. "Ich hab mir das angeschaut und den Claus angerufen: Du musst sofort kommen", erinnert sich Kellner. Beide seien sie Feuer und Flamme gewesen. Aber auch Zweifler habe es genügend gegeben: Die Lage "da oben", keine Parkplätze. "Ob des wos werd", habe er oft gehört.

Die Zweifler sind längst verstummt. Dabei wären Kellner und Hühnlein nicht die ersten euphorischen Gastronomen gewesen, die in der Kurstadt auf Granit gebissen hätten. "Wir beide sind Tölzer, das macht es leichter", sagt Kellner. Ausschlaggebend sei, dass man die Leute in der Stadt kenne: "Sie müssen einen mögen, aber man muss ihnen auch etwas bieten."

80-Stunden-Wochen sind für seinen Kollegen und ihn keine Seltenheit, zwei Tage die Woche halten sie sich beide für Frau und Kinder frei. Die Sonn- und Feiertage gehören immer den Gästen. Kellners Jahresurlaub beträgt heuer ganze zweieinhalb Wochen. Dass trotz Dauerbelastung die Zusammenarbeit so gut klappt, erstaunt Kellner bisweilen selbst: "Wir sind ganz verschiedene Typen, aber jeder kümmert sich um seinen Bereich." Zu seinen Aufgaben gehört es, die Anfragen von Künstlern durchzusehen, und die längst aus ganz Deutschland kommen. Für das Jubiläum hat er Roland Hefter und die Unterbiberger Hofmusik ausgewählt - unterm Schnitzelhimmel könnte es wieder eng werden.

Die Musiker von "Django 3000" mischten sich 2016 unter die Zuschauer . (Foto: Thomas Greil)

Der Abend mit Roland Hefter am Donnerstag, 7. März, ist ausverkauft; für die Unterbiberger Hausmusik am Freitag, 8. März, gibt es Restkarten, Tel. 08041/7 92 94 07 oder www.gasthaus-toelz.de

© SZ vom 07.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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