Kultbar macht dicht:Jason mixt die letzten Drinks

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Vor neun Jahren hat Stefan Thalhammer das Lokal an der Geltinger Straße in Wolfratshausen übernommen. "Ich werde traurig sein", sagt er über den Abschied. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Mann, der eigentlich Stefan Thalhammer heißt, schließt einen Tag vor Heiligabend seine "Chili's Tex Mex Bar". Einerseits sagt er, die Kraft gehe ihm aus. Andererseits denkt er schon über neue Pläne nach

Von Marie Heßlinger, Wolfratshausen

"Das Leben ist zu kurz, um keinen kleinen Regenschirm in deinem Drink zu haben", steht auf Englisch auf einem Schild hinter der Bar. Tatsächlich ragen überall bunte Schirmchen aus den Cocktails. Die Gäste essen Burger mit Pommes frites und unterhalten sich laut, während Latino-Rhythmen aus den Lautsprechern schwingen. Es ist Freitagabend in Wolfratshausen. "Chili's Tex Mex Bar" ist voll. Ein Mann mit Käppi und Kreuzkettchen setzt sich gestresst an den Tisch neben der Kasse. "Es ist, als ob das ganze Land sagt: Wir müssen noch einmal zum Jason", sagt er lachend. Dann muss er los, in der Küche aushelfen. Seit 15 Jahren arbeitet er in der Bar. Vor neun Jahren hat er sie, so wie sie war, übernommen. Der Mann heißt Stefan Thalhammer, alias "Jason".

Fünf Tage später setzt er sich noch einmal an einen der dunklen, rustikalen Holztische und sagt: "Ich liebe es. Ich werde weinen. Ich werde traurig sein." Und man merkt, wie schwer es ihm wirklich fällt. Am 23. Dezember wird er seine Bar zum letzten Mal öffnen. Aus seiner Wohnung direkt darüber wird er ausziehen.

Der Raum ist noch dunkel, die Bar öffnet erst in einer Stunde. Jetzt hat Jason ein bisschen Zeit zum Reden. Nur ein paar Stunden pro Tag bleiben ihm zwischen seinem Hauptberuf als Industrie- und Instandsetzungsmechaniker und seiner nächtlichen Leidenschaft als Barbesitzer. Schon seine Mutter arbeitete nicht nur als Standesbeamtin, sondern nebenbei in einer Bar. Mit 17 Jahren stellte sich Jason probeweise zu ihr hinter den Tresen. "Da hat es mich infiziert", sagt der 36-Jährige schmunzelnd. "Das Leben hinter der Bar, es ist stressig, aber du erlebst so viele lustige Sachen." Zum Beispiel: als Stromausfall war und Jasons Team kurzerhand beschloss, draußen zu grillen. "Als der Strom nach sechs Stunden wieder anging, haben die Leute gefragt, ob wir die Lichter wieder ausmachen können", erinnert er sich lachend.

Dann lässt er "Jasons Jägerzug" fahren. Eine kleine elektrische Lokomotive, die an der Wand entlang einmal im ganzen Raum herumfährt und Schnapsgläser transportiert. Auch so eine Erinnerung an einen lustigen Abend. Die Lokomotive ruckelt und bleibt stehen. "Wir müssen einmal die Woche die Schienen putzen", entschuldigt Jason sie. Er stützt sein Gesicht in seine Hände. Er sieht müde aus. Hat kleine Lachfältchen. Er sagt: "Ich weiß, ich hab so viel verpasst. Aber ich hätte sonst auch so viel nicht erlebt."

Was sich in seinen 15 Jahren als Barkeeper verändert hat? Die Ausgehkultur. "Früher sind wir oft noch mit unseren Gästen nach München zum Feiern gefahren", erinnert er sich. Jetzt blieben die Gäste nicht mehr so lange. "Früher wurde leichter gefeiert und besser bezahlt", sagt er, und erklärt: Die Mieten stiegen, die Einnahmen "leider nicht". Dass Jason aufhört, ist eine Vernunftentscheidung, wie er sagt. Er brauche eine Pause. "Ich merke einfach: Die Kraft geht mir aus." Und: "Mir geht's schon ab, dass ich so viele Geburtstage verpasst habe, die ich gerne mitgefeiert hätte."

Wie es mit seiner Bar weitergeht, ist ungewiss. Das Haus gehört der Immobiliengruppe der Spatenbrauerei, ein Nachmieter hat sich noch nicht gefunden. Jason will jetzt, anstatt hinter dem Tresen zu stehen, Sport machen. Tourenskifahren und Mountainbiken zum Beispiel. Sein bester Freund aber habe schon prophezeit, dass er doch neue Pläne für eine Bar schmieden werde. "Er sagt, dass ich es keine zwei Jahre aushalte." Tatsächlich, so scheint es, hat er schon längst einen Plan: Er will wieder ein Volksfest in Wolfratshausen. "In drei Jahren kann es sein, dass wir mal beim zukünftigen Bürgermeister anklopfen", verkündet Jason lachend.

© SZ vom 29.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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