Krisensitzung:Protest gegen Tölzer Immobilien-Tausch

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Die Stadt übernimmt die Franzmühle, die Pfarrei die Alte Madlschule: Was wird dann aus der Kultur? Die Veranstalter wussten nichts vom Plan des Bürgermeisters.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Die Pläne von Bürgermeister Josef Janker (CSU) zu einem großen Immobilien-Tausch in Bad Tölz stoßen bei den Kulturvereinen, die in der Alten Madlschule beheimatet sind, auf starke Vorbehalte. Die Theatergruppe der "Komischen Gesellschaft" und der Kulturverein "Lust" treffen sich an diesem Dienstag deshalb zu einer Krisensitzung. Beide monieren, dass sie von Janker und der Stadtverwaltung im Vorfeld über das Vorhaben nicht ins Bild gesetzt wurden. Die Rochade sieht vor, dass die Erzdiözese München und Freising das alte Klostergebäude von der Stadt kauft, die Kommune die Franzmühle von der Pfarrgemeinde Maria Himmelfahrt, die Pfarrei wiederum das Kulturhaus Alte Madlschule von der Stadt. In der Erzdiözese signalisiert man Gesprächsbereitschaft. "Es besteht grundsätzliches Interesse, mit der Stadt darüber zu reden", sagt Bettina Göbner, Pressesprecherin der Erzdiözese.

In den oberen drei Stockwerken soll die Tölzer Franzmühle nun Fluchtbalkone für den Brandfall erhalten. (Foto: Manfred Neubauer)

In der Komischen Gesellschaft, welche die Alte Madlschule seit etwa zwei Jahrzehnten nutzt, ist man hingegen "not amused", wie Vorsitzende Verena Peck sagt. Zusammen mit Sepp Müller, dem Chef der "Lust", hat sie dem Bürgermeister und den Stadträten einen Brief geschrieben. Beide verweisen auf den "historischen Charme" des Kulturhauses mit seinen knarzenden Treppen und seinem Parkettboden. Gerade dies wird ihren Erfahrungen zufolge von den Besuchern geschätzt. Peck spricht von einem "subkulturellen Flair", das moderne Räume niemals bieten könnten. Viele Künstler und Gäste der Theateraufführungen kämen alleine deswegen. Das unterstreicht Sepp Müller. Eine ältere Zuschauerin, die regelmäßig die Aufführungen der Lust besucht, habe ihm erzählt, dass sie die knarzenden Treppenstufen mit Kultur verbinde, erzählt er. Ein solches Ambiente sei "nicht in einem pieksauberen Gebäude zu erwarten". Peck bezweifelt überhaupt, dass etwa die Franzmühle einen Saal für Aufführungen mit Platz für 100 Personen biete, wie die Madlschule.

Beide zeigen sich verärgert, dass sie vom Bürgermeister vorab nicht über die Gebäude-Rochade informiert wurden. "Das ist es in erster Linie, was uns am meisten stinkt", sagt Müller. Ähnlich äußert sich Peck: "Das, was mich tatsächlich ärgert, ist, dass im Vorfeld nicht mal annähernd Kontakt zu uns gesucht wurde." Sie griff ihrer Schilderung nach selbst zum Telefon, um von Janker zu erfahren, was an den Gerüchten über den Immobilien-Tausch dran sei. Der Bürgermeister habe dann auch über alles mit ihr gesprochen, sagt Peck. Allerdings kann sie sich des Verdachts nicht erwehren, dass die Stadt "keine Ahnung hat, was wir bräuchten, um gute Kulturarbeit zu machen". Sonst würde der Komischen Gesellschaft eine Alternative wie die Franzmühle nicht erst angeboten - "das passt nicht". Denn der Theaterverein benötige Räume, die er sich nicht mit zig anderen Organisationen teilen müsse, "unsere Kulissen stehen halt mal zwei, drei Tage". Dieses Zusammenspiel klappe in der Alten Madlschule mit allen Mietern problemlos. "1 a", sagt Peck.

Die Komische Gesellschaft mit 38 Mitgliedern und die Tölzer Lust mit 75 Vereinsangehörigen organisieren in dem städtischen Gebäude unweit der Stadtpfarrkirche nicht bloß kulturelle Veranstaltungen. Beide widmen sich dort auch sozialer Arbeit. Die Lust stellte zum Beispiel einen Weltkulturabend mit Flüchtlingen auf die Beine und investierte dazu 6000 Euro in einen Beamer. Die Komische Gesellschaft nimmt sich in ihren Projekten unter anderem des Themas Inklusion an.

Die Alte Madlschule beherbergt noch weitere Nutzer. Zu ihnen gehört neben dem Billardclub auch die Ballettschule "Studio1" , die seit 29 Jahren in dem Kulturhaus ansässig ist. Sabine Brandhuber unterrichtet dort 75 Schülerinnen und Schüler, zudem vermietet sie für zwölf Euro pro Stunde ihre Räume an die Volkshochschule oder für Yoga und Hip-Hop. "Grundsätzlich sind wir mit dem Haus verwachsen, vom Flair her, aber auch von der Lage", sagt die Choreografin und Tanzpädagogin. Die Kinder kommen von den nahe gelegenen Schulen zum Ballett oder gehen hernach noch zur Musikschule. "Wenn es weiter weg wäre, dann wäre es für mich ganz schlimm", so Brandhuber. Die Franzmühle läge als Ersatzort zwar auch zentral, "aber wir brauchen einen eigenen Raum, das ist das Problem". Und noch dazu einen, der für die Nachwuchstänzer passt. In der Madlschule gibt es einen Schlingboden und eine Wandhöhe von 2,50 Metern. Unter zwei Metern würde es eng, wenn "zwei Mädels ein anderes hochstemmen".

Noch sind Jankers Pläne nicht weit gediehen. Für die drei Immobilien hat er ein Wertgutachten in Auftrag gegeben. Unklar ist, wie die Pfarrgemeinde Maria Himmelfahrt dazu steht. Pfarrer Peter Demmelmair ist seit Tagen für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Nach einer Rochade wäre die Pfarrei der neue Eigentümer der Madlschule. Verena Peck hat mit ihm gesprochen, worüber sie sich nicht näher äußern mag. Nur so viel: "Er war sehr zurückhaltend." Sepp Müller tröstet sich damit, dass ein Gebäudetausch mit Gutachten und Planungsverfahren viel Zeit in Anspruch nehmen dürfte: "In den nächsten zwei, drei Jahren wird nichts passieren."

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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