Konzertzyklus:Die Moldau in Schwarz-Weiß

Lesezeit: 2 min

Philipp Amelung leitet den Ickinger Konzertzyklus - und hier die "Sinfonietta Tübingen". (Foto: Harry Wolfsbauer)

Beim Ickinger Konzertzyklus wird Smetanas bekannte und beliebte Tondichtung in einer Bearbeitung für Streichorchester interpretiert. Eine Herausforderung für die "Sinfonietta Tübingen" - und fürs Publikum

Von Klaus Peter Volkmann, Icking

Das Programm im jährlichen Ickinger Konzertzyklus ist auch in diesem Jahr der Vorstellung der klassischen Musik eines Landes gewidmet. Es sind Werke von Komponisten aus Böhmen und Mähren, die Philipp Amelung, der künstlerische Leiter der Reihe, diesmal für drei Konzerte ausgewählt hat. Zum Auftakt ist das Kammerorchester Sinfonietta Tübingen nach Ebenhausen angereist - mit zwei bekannten Kompositionen im Gepäck, der "Moldau" von Bedřich Smetana zu Beginn und der Streicherserenade E-Dur (op. 22) von Antonín Dvořák zum Abschluss des Konzerts, dazwischen eine Suite für Streichorchester von Leoš Janáček.

Smetanas Tondichtung "Moldau" aus dem Zyklus "Mein Vaterland" rangiert bei Klassik-Radiosendern auf einem der vorderen Plätze. Amelungs Vorhaben, das bekannte Werk in der Originalfassung mit großem Sinfonieorchester zu präsentieren, war leider an organisatorischen Problemen gescheitert. Um auf die beliebte "Moldau" trotzdem nicht verzichten zu müssen, wurde der Musikwissenschaftler Robert Schenke von der Humboldt-Universität beauftragt, das Werk für Streichorchester einzurichten. Diese Bearbeitung kam nun in Icking zur Aufführung.

Die klangliche Verfremdung eines "Klassik-Hits" wie der "Moldau" ist ein Experiment. Smetanas musikalische Lautmalerei lebt von verschiedenen "Klangfarben", neben Streichern also Holz- und Blechbläsern sowie Schlagzeug. Die reine Streicherfassung dagegen verzichtet auf alles "Bunte" - vergleichbar mit dem Schwarz-Weiß-Foto eines farbigen Gemäldes. So werden Einsätze von Triangel oder Holzbläsern in hohen Lagen ersetzt durch ungewohnte Flageolett-Klänge der Streicher - und die Dramaturgie des Bläsersatzes in den Tutti-Partien (etwa bei der Darstellung der Stromschnellen und zum festlichen Finale) wird allenfalls ansatzweise erkennbar. Am ehesten kommen der reinen Streicherbesetzung die romantischen Passagen entgegen, wie der Weg der Moldau vorbei an der heiteren böhmischen Tanzmusik einer Bauernhochzeit - oder im leisen Dahingleiten durch die Sphären-Klänge einer stillen Mondnacht.

Die Besonderheit dieser ungewohnten Aufführung der "Moldau" war spürbar - zum einen für die Sinfonietta Tübingen angesichts der Herausforderungen vieler solistischer Partien in kleiner Streicherbesetzung, zum anderen aber auch für das Publikum, das die Alternative zu seinen Hörgewohnheiten am Ende mit verhalten freundlichem Beifall bedachte.

Es folgte die von Leoš Janáček komponierte Suite für Streicher, das Jugendwerk eines 23-Jährigen, noch weitgehend dem Stil der Spätromantik des 19. Jahrhunderts verpflichtet. Und doch scheint bereits in diesem Werk der spätere Aufbruch Janáčeks in die Moderne spürbar. In den sechs Sätzen seiner Tanz-Suite wechseln in kurzer Folge zupackende Passagen mit träumerischer Ruhe, Melancholie mit energischer Erregung, weiche Melodik mit schlichtem, volkstümlichem Tanz - und verraten einen unruhigen Geist. Dem Ensemble gelang es mit einer engagierten und ausdrucksstarken Interpretation, das Publikum von Beginn an für diese Musik zu gewinnen.

Zum Abschluss schließlich Dvořáks Streicherserenade, eines der schönsten Werke, das je für ein Streichorchester komponiert wurde. Von Beginn an war hörbar, wie gut dem Orchester diese Musik vertraut ist. Fast schwerelos die intime Ruhe und Wärme des Streicherklangs im Moderato des ersten Satzes, die zarte Melancholie im Walzer und das klar phrasierte Scherzo in der Folge. Das Larghetto des vierten Satzes vermittelte Innerlichkeit und Ruhe in perfekter Weise - und das Finale schließlich gab sich zupackend und lebensfroh im Rückblick auf die romantischen Themen der vorangegangenen Sätze. Das Publikum bedankte sich mit großem Applaus - eine Zugabe erreichte es leider nicht.

Die Sinfonietta Tübingen erwies sich als gute Wahl für die insgesamt gelungene musikalische Vorstellung unseres Nachbarlandes. Dass die Intonation im Streicherklang punktuell nicht immer perfekt gelang, wurde mehr als aufgewogen durch Feinfühligkeit und Expressivität des Spiels in allen Stimmen - im reibungslosen Zusammenwirken mit der klaren und engagierten Diktion von Philipp Amelung. Man darf gespannt sein auf seine weiteren Konzerte zum Thema "Böhmen und Mähren" im Ickinger Konzertzyklus 2018.

Sonntag, 11. November, 17 Uhr, Auferstehungskirche Icking: Moravia Quintet Olmütz; Sonntag, 25. November, 17 Uhr, Sankt Benedikt Ebenhausen: Theodor-Schüz-Ensemble, Münchner Mozart Orchester. www.konzertzyklus.de

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: