Konzertbesprechung:Spirituelle Nabelschau

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Selbstbewusste Präsenz: Sängerin Miriam Arens, Frontfrau der Münchner Band "Liliath". (Foto: Hartmut Pöstges)

"Liliath" mit ungewöhnlichem Livestream-Auftritt im Hinterhalt

Von Susanne Hauck, Geretsried

Ist dieser schräge Sound schon Avantgarde? Darüber dürfte manch unbedarfter Zuhörer insgeheim gebrütet haben, der das Konzert von Liliath während der coronabedingten Livestream-Übertragung im Internet verfolgt hat. Bis Sonntag schalteten 270 Nutzer zu. Die noch junge Münchner Band hatte am Freitagabend ihren wegen Krankheit abgesagten Auftritt beim "Pipapo"-Festival der Kulturbühne Hinterhalt nachgeholt. Eines ist klar: Sängerin Miriam Arens verweigert sich konsequent dem Mainstream. Das tut sie mit so konzentriertem Einsatz, dass es schwerfällt, sich dem musikalischen Überraschungspaket zu entziehen.

Die Band reist mit leichtem Gepäck. Mit dabei sind zwar die Songs aus dem 2019 erschienenen und durch Crowdfunding finanzierten Debütalbum. Das vollmundig angekündigte surrealistische Musikkabarett samt fantasievollen Videoprojektionen blieb jedoch zu Hause. Die Show ist eigentlich ein normaler Bandauftritt, wären da nicht Arens' originell zusammengeschneidertes Kostüm, das man am besten als eine Kreuzung zwischen Ballett-Tütü und Ballonrock beschreiben könnte, sowie das zirkusnummernhafte Einstiegslied "Of White Bubbles". Davor hatte eine raunende Stimme aus dem Off wie im Märchen mit den Worten eingeführt: "Es war einmal, und war auch nicht, ein Menschlein namens Zweigesicht. Das sang und rang nach Worten an Orten voller Nacht und Licht."

Zweigesicht - das ist das Alter Ego von Miriam Arens, die ihr Publikum mitnimmt auf eine Reise in ihr vertracktes Seelenleben, das voll von "vertontem Mindfuck ist", wie die Sängerin selber sagt. Ihre Lieder heißen "Where the Light was Born", "When Silence is Queen" oder "Eine kleine Sozialneurose". Sie singt viel von emotionalen Nullpunkten, zerbrochenen Beziehungen und den Menschen mit all ihren Masken (wobei sie nicht die medizinischen meinte, haha). Das hört sich zugegeben nicht nach Gute-Laune-Songs an, eher nach Musiktherapie beim Selbstfindungstrip. Aber es geht ihr ernsthaft um die Suche nach dem Sinn des Lebens. Diesen Anspruch unterstreicht auch der symbolhafte Albumtitel "Seeker Seeker". Zwischendurch packt die Münchnerin esoterisch eins drauf, wenn sie von der Entstehungsgeschichte der Lieder erzählt und was die Sonnenstrahlen auf Waldspaziergängen und einsamen Landschaften in Rumänien mit ihr gemacht haben. Spannend wird die spirituelle Nabelschau durch die selbstbewusste Präsenz der Künstlerin und die kraftvolle Begleitung ihrer Musiker.

Die Sängerin schreibt ihre Songs selbst, mal auf Deutsch, mal auf Englisch. Aus der Ferne grüßen musikalische Ziehmütter wie die schnoddrig-punkige Annette Humpe, Performance-Königin Laurie Anderson oder die exzentrische Kate Bush. Zur Besetzung von Liliath gehören vier Männer, die nicht unerwähnt bleiben dürfen, auch wenn sie die große Geste ihrer Frontfrau überlassen: Niki Kampa (Geige), Max Osvald (Klavier), Boris Boscovic (Bass) und Rainer Huber (Schlagzeug). Musikalisch lässt sich die Band schwer einordnen. Irgendwo zwischen Steampunk, Soul, Gothic, Hyper Jazz. Sie selber nennen es Score Pop, was immer das ist. Außergewöhnlich ist es in jedem Fall.

© SZ vom 25.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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