Konzert in der Alten Madlschule:A bissl anderscht

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Hermann Kühebacher (links) steht im Mittelpunkt der fünfköpfigen Gruppe Titlá. Er spielt Flöten, Dudelsack und hat ein flottes Mundwerk (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Südtiroler Folkband "Titlá" macht Weltmusik zwischen Pustertal und Palästina

Von Arnold Zimprich, Bad Tölz

Prallvoll ist die Alte Madlschule an diesem Abend, ein Ölofen bollert im Eck des ehemaligen Klassenzimmers, der Dielenboden knarzt unter der Last der vielen Besucher. Titlá, eine Folkband aus dem Südtiroler Pustertal, hat zahlreiche Isarwinkler Musikfans nach Bad Tölz gelockt. "Vasteht's ihr ins?" fragt Frontmann Hermann Kühebacher in die Runde. Einhelliges Nicken. Das Südtirolerische ist dem Oberbayrischen ähnlicher, als man zunächst vermutet.

Eine Couch steht auf der Bühne, darauf liegen mehrere Dudelsäcke, Tuba, Geige, Kontrabass, Ziehharmonika, auch ein kleines Schlagzeug darf nicht fehlen. Titlá (übersetzt "Tut nur") unternehmen mit ihnen einen weiten Streifzug durch die Südtiroler Mundart, durch norditalienische Weisen, auch bei den Klezmerin hat sich das Quintett bedient. Hermann Kühebacher, mit einer legeren Kletterhose angetan, ist das Zentrum der fünfköpfigen Gruppe. Er bedient Dudelsäcke und Flöten, die in seinen muskulösen, sehnigen Armen sehr zerbrechlich wirken. Ganz in der Tradition eines Spielmannes entlockt Kühebacher diesen jedoch zarte, liebliche Töne. Ihm sitzt auch der Schalk im Nacken, er streut Witze und Anekdoten ein, mal derb, mal zum Nachdenken - natürlich alles im Dialekt. Mit "Bei ins klingt olles a bissl anderscht" leitet er zum nächsten Stück über, ein Liebeslied. "I kenn koa Platzl was so viel gilt" - wie das an der Seite seiner Geliebten. Zwischendurch tauchen Titlá dann doch so tief in den Dialekt ein, dass wohl nur die Südtiroler unter den Zuschauern im Detail folgen können.

Toni Taschler bedient die Steirische - in diesem Fall ein imposantes Stück des Herstellers Puschtra - so inbrünstig, dass nicht wenige Zuschauer in Verzückung geraten. Kühebacher erzählt derweil von der Nachkriegszeit, als Tausende Juden über hohe Jöcher wie den Krimmler Tauern nach Südtirol fliehen mussten, da der Brenner blockiert war, um anschließend nach Palästina zu gelangen. Das Stück "Di Mesinke" soll an diesen Flüchtlingszug erinnern und ist eines von gleich mehreren Liedern, die Titla in Jiddisch vorträgt.

Anschließend kommt Gitarrist Eduardo "Edi" Rolandelli mit dem Stück "Siamo tutti fratelli" zum Zuge - "Wir sind alle Brüder". Zu diesem melancholischen Stück, das der Feder von François Castiello entstammt, wiegt sich der Saal im Takt, einen Moment lang sind tatsächlich alle Brüder und Schwestern in der Alten Madlschule.

Die Geretsrieder Kulturpreisträgerin Ingeborg Heinrichsen ist ebenfalls zugegen und zeigt sich begeistert von der musikalischen Vielfalt. Sie nickt immer wieder zustimmend, wenn eine neue Weise angestimmt wird, wippt im Takt. "Ich bin bereits Stammgast hier beim Kulturverein Lust", sagt sie, "der Verein macht das wirklich toll." Schließlich ergreift "Edi" Rolandelli das Mikrofon und stimmt eine Weise aus der Lombardei an, eine "Mamfrina" im 6/8-Takt - "Preparem di un letto caldo", vorgetragen in einem Bergamasker Dialekt. Der Text ist frivol, es geht um eine Liebesnacht.

"Mai Maadele, mai Tschurale", diese sanfte und trotzdem beschwingte Weise des Südtirolers Luis Stefan Stecher, ist eines der letzten Lieder an diesem Abend. Darin ist auch vom blühenden "Houlrpaaml ", dem blühenden Holunderbäumchen, die Rede. Das würden sich einige angesichts des schneereichen Winters nun auch wünschen. Zum Glück hat Titlá den Besuchern in dieser Februarnacht eine musikalische Wärme mitgegeben, die noch einige Tage anhalten wird - da kann man es durchaus verschmerzen, dass der kalendarische Frühlingsanfang noch einige Tage auf sich warten lässt.

© SZ vom 20.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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