Konzert in Benediktbeuern:Musikalischer Appell an den Humanismus

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Werner Schmidbauer, Pippo Pollina und Martin Kälberer liefern im Maierhof politische Statements ab

Von Arnold Zimprich, Benediktbeuern

"Griaß Eich", ruft ein sichtlich begeisterter Werner Schmidbauer in den voll besetzten Maierhof, "was für ein Platz! Wir sind wild entschlossen, den Abend zu genießen!" Das zweite Mal geht Werner Schmidbauer mit dem Sizilianer Pippo Pollina und Martin Kälberer auf Tour, "Süden II" haben sie diese getauft, nachdem sie vor sieben Jahren mit den 100 Konzerten der "Süden"-Tournee schon rauschenden Erfolg hatten und das Abschlusskonzert in der Arena von Verona vielen Fans noch gut in Erinnerung ist. "Ich ärgere mich, dass ich damals nicht dabei war", sagt Thomas Oeller aus Bad Tölz. Er ist schon lange Schmidbauer-Fan und heute mit seiner Frau nach Benediktbeuern gefahren.

Mal komplexe Psychogramme, mal schwelgerisch-virtuose Balladen und mal deutliche politische Worte und Texte gibt es im Programm "Süden II" zu hören. (Foto: Manfred Neubauer)

"Wir haben uns 2002 in Bad Aibling kennengelernt", sagt Werner Schmidbauer über sein Zusammentreffen mit Pippo Pollina. "Er kommt aus Sizilien, ich aus Oberbayern, beide kommen wir aus dem Süden unserer Länder. Alle Südländer haben ähnliche Grundlagen!" Jedes Jahr träfen sie sich mit Martin Kälberer zum Jahreswechsel in einem kleinen Dorf an der sizilianischen Küste, um das Jahr gemeinsam ausklingen zu lassen und auf neue Ideen zu kommen.

"Richtung Süden" heißt auch das erste Lied des Abends, in dem darauf getrunken wird, "dass sich Freundschaft lohnt." Schmidbauer freut sich, denn "der Süden-Geist ist wieder angekommen". Einige würden jetzt schon gerne aufstehen und tanzen, in der Stuhlreihe nebenan fängt eine Frau an, sich zur Musik zu wiegen, ehe Pollina das Lied "D'altro canto" ankündigt, das von der Leichtigkeit handelt, die notwendig ist, um schwere Zeiten zu überstehen. "Wer genau hingehört hat, bekam ein ziemlich komplexes Psychogramm von Pippo Pollina und Werner Schmidbauer zu hören", lacht Schmidbauer.

Werner Schmidbauer und Kollegen gastierten im Benediktbeurer Maierhof. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Eis ist gebrochen, die Virtuosität und Stimmgewalt des Trios kommt in den altehrwürdigen Gemäuern des Maierhofs besonders gut zur Geltung, allein mit seinem weichen Timbre vermag Pollina die Konzertbesucher um den Finger zu wickeln. Sein sanftes und doch kraftvolles Italienisch, in dem rund die Hälfte der Lieder vorgetragen wird, hallt in die Julinacht. Es ist dunkel geworden, das Publikum eine homogene Einheit, die sich der Musik hingibt, mitschwingt, da gibt es keine Disharmonien mehr, man ist ganz bei den Musikern.

Hat schon mit Georges Moustaki oder Angelo Branduardi zusammen gearbeitet: Cantautore Pippo Pollina ist auf dem Banzberg ein gern gesehener Gast. (Foto: Manfred Neubauer)

Schmidbauer streut eine Anekdote aus dem jungen Erwachsenenalter ein. Leidenschaftlich habe er sich mit seinem Vater gestritten, man sei in vielem uneins gewesen und nur in einem einig, dass man mit dem Stolz vorsichtig sein müsse, erst recht mit dem Nationalstolz: "Wo ma her san, liegt ned in unsrer Hand." Dass der Nationalstolz in vielen Ländern wieder en vogue sei, gebe zu denken. Doch auch aktive Trauerarbeit wird an diesem Abend geleistet, Pippo Pollina hat vor eineinhalb Jahren seinen Bruder verloren, verarbeitet diesen Verlust in "Io e te", ich und du.

Beim Instrumental "Südhang", bei dem Martin Kälberer der "Hang", einer kurios geformten Klangschale, sphärische Klänge entlockt, reißt es die Zuschauer von den Stühlen. Pippo Pollina bedient das Tamburello dazu so virtuos, dass es spontanen Applaus gibt.

Spätestens mit dem Titel "Le città dei bianchi", die Stadt der Weißen, wird es politisch. Es bestehe die Gefahr, dass in Europa eine Kultur des Vergessens und ein Hass auf die, die aus dem Süden kommen, überhandnehme, wo doch viele Europäer selbst Migrationserfahrungen hätten. "Das Zusammenleben in Liebe und nicht in Hass wird die große Kunst sein", appelliert Werner Schmidbauer.

Zum Lied "Camminando" steht schließlich jeder auf, klatscht und singt, die, die genug Platz haben, tanzen, der Maierhof wird zur ganz großen Bühne, "wir haben uns entschieden, wir spielen bis drei Uhr in dieser Nacht", entfährt es Werner Schmidbauer. Man würde es ihm sofort abnehmen bei dem Elan, mit dem der 57-Jährige musiziert und seine Botschaften vorträgt. "Es herrscht eine globale Deppenschwemme in den Regierungsetagen", prangert er an, ehe mit "Mandela" an einen der ganz Großen der Weltpolitik erinnert wird und mit "Passera" ein bewegender Konzertabend zu Ende geht, der vielen Besuchern noch lange in Erinnerung bleiben wird.

© SZ vom 29.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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