Konzert im Kesselhaus:Den Blues im Blut

Lesezeit: 2 min

Seit 25 Jahren treten Alex Ohly, Willi Streicher, Dieter Ritschl und Helmut Weichinger als Band "next to nothing" auf. Ihre Konzerte sind rar, aber legendär

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Jeden Montagabend legt Willi Streicher Anzug und Krawatte ab, schnappt sich seine Drumsticks und fährt zur Bandprobe nach Lenggries. Der Termin ist ihm heilig, seit 25 Jahren spielt der Sparkassensprecher und SPD-Stadt- und Kreisrat in einer Band mit Alex Ohly (Gesang, Gitarre), Dieter Ritschl (Lead-Gitarre) und Helmut Weichinger (Bass), den alle nur "Tschief" nennen. Die vier Musiker von next to nothing sind Blues-Rocker der guten, alten Schule. Ihre Konzerte sind ebenso rar wie legendär: Fix ist der Dreikönigsblues im Hirschbachstüberl in Lenggries und das Konzert am Vorabend zum Vatertag im Kesselhaus.

"Neine ist, mia fangan o", sagt Ohly: "Perfume" ein Bluesrock mit knackigem Gitarrensolo von Ritschl - und schon ist man drin in diesem lauten, satten Sound, der jeden Gedanken übertönt und rhythmisches Nicken und Stampfen für gut drei Stunden zur einzig möglichen Daseinsform macht. Auf der Tanzfläche ist noch Platz, über der Bühne seilt sich ein Bergkamerad aus Pappmaschee mit Kniebundhose, Rasta-Shirt und Panamahut von einem Lautsprecher ab. Die meisten Gäste im Kesselhaus sind um die 20, am Mittwoch haben die Ü-40-Fans von "next to nothing" die Oberhand. Viele kennen sich, für die Musiker ist es ein Heimspiel.

Mehr als 50 Songs haben sie inzwischen drauf, fast alles Eigenkompositionen: Blues, Rock, Country, Folk. Einige wenige Coversongs gibt es am Mittwoch: ZZ Top, Robert Johnson, AC/DC . Die Texte ihrer Songs stammen von Sänger Alex Ohly, die Musik wird gemeinsam dazu gebastelt. Einig seien sie sich fast immer, erzählt Streicher. "Aber es gibt bei uns ein ungeschriebenes Gesetz: Wenn einer sagt, das spielen wir nicht, dann lassen wir den Song."

Die Musik von "next to nothing" ist ein Fest für Freunde geradliniger, handgemachter Rockmusik - das Zusammenspiel funktioniert klasse, und mit langen Anmoderationen halten sie sich gar nicht erst auf. Sie wollen nur spielen - und sich selbst nicht allzu ernst nehmen. Eintritt verlangen die Musiker nicht, irgendwann macht ein Hut die Runde. Vor neun Jahren haben sie eine CD aufgenommen, die sei aber im Moment vergriffen, erzählt Streicher. Die Band ist für die vier vor allem ein Hobby, eine Möglichkeit, den Blues aus dem Alltag raus und in die Musik rein zu bringen. Sänger Alex Ohly etwa, im wirklichen Leben Lehrer für Altenpflegeschüler: ein unauffälliger, drahtiger Typ mit Baseballkappe, der sich hinter dem Mikro in einen waschechten Blues-Rocker verwandelt. Breitbeinig, die Augen geschlossen, steht er auf der Bühne: "She's a bitch", kreischt er mit seiner intensiven Stimme. Der Bass von Tschief Weichinger, ansonsten als Elektroingenieur unterwegs, wummert in der Magengrube, die Gitarrensoli von Ritschl, Personalleiter bei der Post, reißen die Leute vom Hocker.

"Super oder?", ruft eine langmähnige Blondine ihren Freundinnen zu und rockt gleich wieder richtig ab. Denn spätestens nach der Pause kocht der Kessel. Die Tanzfläche ist voll, viele Zaungäste auf der Galerie sind zur Bühne ins Souterrain abgestiegen, die Temperatur steigt. Streicher braucht ein frisches T-Shirt. Denn natürlich hat er wieder ein obligatorisches Schlagzeugsolo hingelegt - minutenlang bearbeitet er seine Drums zu "Sex Bomb" von Tom Jones. Die Leute toben. Zum Runterkommen gib es als Zugabe "Isarflimmern" und "Waxnstoa" vom Willy Michl. Aber die Leute geben keine Ruhe. Und weil die Musiker genauso viel Spaß haben, lassen sie sich zu einer zweiten Zugabenrunde überreden, da ist es schon nach Mitternacht. "Wir sehen uns das nächste Mal am 6. Januar im Hirschbachstüberl", verabschieden sie sich schließlich endgültig. Immer wieder gerne.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: