Konzert im Gasthaus:Weltmusikalische Brückenschläge

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Unbändige Neugier treibt die Himpsl-Familie immer wieder auf musikalische Expeditionsreisen, und das Tölzer Publikum war vom Ergebnis begeistert. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Unterbiberger Hofmusik fordert in Tölz die Hörgewohnheiten mit einer gewagten wie gelungenen Mischung heraus

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Zwei bayerische Löwen unter türkischem Halbmond - vor diesem Banner zu ihrer aktuellen CD "Bavaturka Vol. 2" präsentierte sich die Unterbiberger Hofmusik am Donnerstag im "Gasthaus" Bad Tölz. Die kleine Bühne ist rappelvoll, weil neben der Musikerfamilie Himpsl - Franz (Trompete, Gesang) und Irene (Akkordeon) mit den Söhnen Xaver (Trompete), Ludwig (Percussion, Waldhorn) und dem neunjährigen Franz (Waldhorn) - noch drei Gastmusiker mitspielen: der fulminante Jazz-Posaunist Mathias Götz, Tubist Konrad Sepp und der türkische Musiker Bekir Cetinkaya, der die Saz, eine langhalsige Laute, spielt. Damit ist der musikalische Rahmen der Unterbiberger schon einmal abgesteckt: Bayerische meets türkische Volksmusik meets Jazz. Das ergibt eine spannende, gewagte, fremd-vertraute Mischung, die Hörgewohnheiten herausfordert und sich zwischendurch in Polka und Jodler wieder ganz zu Hause fühlen kann. Das Programm ist abwechslungsreich: kraftvolle Eigenkompositionen von Irene Himpsl, schmeichelnde, groovige Jazz-Improvisationen von Posaunist Götz. Traditionelles wie die Polka "Am Gamserlsteig" und Experimentelles wie ein Trifacher mit kasachischer Melodie. Eine unbändige Neugier treibt die Himpsl-Familie immer wieder auf musikalische Expeditionsreisen, zuerst nach Südamerika, dann in die Türkei und den arabischen Raum. Demnächst geht es nach Indien. Wie gut das Fremde und das Vertraute zusammengehen, zeigen Stücke wie "I kenn mi nimmer aus - Divane Asik gibi", das die Unterbiberger schon zweimal für den Bundespräsidenten in Berlin gespielt haben. Es beginnt traditionell als Zwiefacher, erfährt mit dem Einsatz der Saz eine fließende Metamorphose in Richtung arabischer Rhythmik und Tonalität. Dass der Text vom Türkischen ins Niederbairische übergeht, auch das geht kaum merklich vonstatten. Die Unterbiberger beherrschen es grandios, das je Unterschiedliche geschmeidig und ohne Brüche miteinander zu verschmelzen - aber so, dass die Eigenheiten erkennbar bleiben. "Offen und mit Respekt auf das andere zugehen", so beschreibt Franz Himpsl das. Inzwischen spricht er ganz passabel türkisch, erzählt am Donnerstag viel von seinen Reisen und Begegnungen. Zum Beispiel die Anekdote über ein sprachliches Missverständnis: "Bir sey degil", zu Deutsch "gern geschehen", hätten die Leute öfter zu ihm gesagt. Er habe immer nur "Bierschädel" verstanden. "Und wenn heute jemand Bierschädel zu mir sagt, denke ich: Aha, hat er ein bisserl Türkisch gelernt." Apropos Bier - "ein Hoch auf den Braumeister vom Mühlfeldbräu", lobt Himpsl.

Dass das Konzert vom Kurhaus ins Gasthaus verlegt wurde, war im Übrigen kein Schaden. Denn für etwa 40 Zuhörer ist der kleine Gewölbekeller allemal geeigneter, und für die intime Atmosphäre des Konzerts auch. Ganz nah sind die Musiker und die teils exotischen Instrumente, wie die Saz, die große Rahmentrommel Daf oder die Bechertrommel Darbuka. Und die melancholischen Volkslieder, die Bekir Cetinkaya auf der Saz spielt, gehen den Zuhörern, so nah an der Bühne, noch näher. Auch das Mitklatschen beim rhythmisch komplizierten Stück "Elfer/En Birli" funktioniert gut, weil Josef Himpsl mitten zwischen die Zuhörer geht und beim Takthalten hilft.

Nur mit dem Alphorn wird es schwierig, das lange Instrument stößt auf der kleinen Bühne an Grenzen. Musikalisch freilich nicht: Denn was Ludwig Himpsl aus diesem archaischen Instrument herausholt ist unglaublich. So wie vieles, bei dieser anregenden musikalischen Völkerverständigung.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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