Kommentar zur Geretsrieder Geschichte:Die Zeit drängt

Von Felicitas Amler

Was wäre Geretsried ohne diese Bürger: Die Männer des Arbeitskreises Historisches Geretsried - Frauen tauchen hier tatsächlich selten als Aktive auf - leisten Unglaubliches. Seit 16 Jahren erforschen sie rein ehrenamtlich die Geschichte ihrer Stadt, recherchieren, sammeln, befragen, belegen und analysieren. Sie haben die Aufbauarbeit der Vertriebenen dokumentiert, haben "Wege der Geschichte" in Geretsried und Gelting geschaffen, Ausstellungen und Vorträge organisiert, Zeitzeugen und Landsmannschaften zu Wort kommen lassen und Entwicklungen "von der Eiszeit bis zur Neuzeit" beleuchtetet. Sie haben sogar eine eigene Publikationsreihe etabliert: die "Geretsrieder Hefte".

Seit wenigen Jahren nun arbeiten diese Hobby-Historiker besonders ambitioniert an dem zentralen Geretsrieder Geschichtsthema: der Zeit der NS-Rüstungsbetriebe. Und wenn sie dabei betonen: "Die Zeit drängt", dann tun sie dies nicht nur, weil bald keine Zeugen jener Epoche mehr leben werden. Sondern auch, weil ihnen selbst, die sie alle in den Siebzigern sind, die Zeit davonläuft. In den vergangenen drei Jahren sind zwei der engagiertesten Mitstreiter gestorben: Franz Rudolf und Martin Walter. An jungem Nachwuchs aber fehlt es. Geschichtsforschung sei eben "eine Alterserscheinung", hat Sprecher Wolfgang Pintgen einmal gesagt. Umso ermutigender ist es, dass nun Bernd Walter die Spur seines Vaters auf- und die Führungen "Bunker im Wald" übernimmt.

Genauso wichtig ist es, dass die öffentliche Hand die Forschungsarbeit nicht nur finanziell unterstützt. Geretsried hat seit Kurzem eine hauptamtliche Archivarin, und es wird bald über repräsentative Räume fürs Archiv verfügen. Es ist eine Hoffnung: Wenn die Stadt ihre Geschichtsarbeit intensiviert und professionalisiert, könnte das neues Interesse bei jungen Menschen wecken.

© SZ vom 26.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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