Kochel am See:Briefmarken aus dem Kofferraum

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Ein Verkaufsauto ersetzt die Postfiliale, wenn die einzige Mitarbeiterin im Urlaub ist. Der Bürgermeister ist empört

Von Alexandra Vecchiato, Kochel am See

Eine so große Dienstleisterin wie die Deutsche Post müsste ihren Versorgungsauftrag ernster nehmen. Das findet jedenfalls der Kochler Bürgermeister Thomas Holz. Er sei "ziemlich verschnupft", weil die Post im Juni zum wiederholten Mal Briefmarken aus dem Kofferraum heraus verkaufen will. Das ist der Fall, wenn die einzige Schalterangestellte kurzfristig ausfällt. Das Auto ersetzt die Postfiliale. Kein Zustand, sagt Holz. Der Bürgermeister hat schriftlich Beschwerde eingereicht. Und die liege, sagt er, inzwischen in Bonn, "an höchster Stelle".

Schon im Februar hatte es zu Unmut unter den Bürgern geführt, als in Abwesenheit der Postangestellten die Filiale zu blieb. Wer Briefmarken wollte, konnte sie an wenigen Stunden am Tag an einem Postauto erwerben. Und das für volle sieben Tage. Nun wird die Filiale erneut geschlossen und zwar von Mittwoch, 1. Juni, bis Samstag, 11. Juni. Wieder wird es keinen Ersatz am Schalter geben - eben nur ein Auto.

"Das wurmt mich sehr", sagt Holz, "das ist überhaupt keine Art." Auch wenn er froh sei, dass Kochel noch eine eigene Post habe und damit die Versorgung gewährleistet werde, mache ein Kofferraumverkauf keine gute Figur. "Wir mögen nur an die 4000 Einwohner in der Gemeinde haben, aber 46 000 Gäste über das Jahr verteilt." Und die schreiben nun mal Urlaubsgrüße an die Daheimgebliebenen. Dazu passe eine geschlossene Postfiliale und ein stundenweiser Verkauf von Briefmarken aus dem Kofferraum einfach nicht.

Sein Protest sei massiv gewesen, betont der Bürgermeister. Die Post habe sich daraufhin bei ihm telefonisch gemeldet, inzwischen sei auch eine E-Mail angekommen. Darin versichere man ihm, dass sich die Post künftig um einen personellen Ersatz kümmern werde - vorausgesetzt, ihr werde das Fehlen der Mitarbeiterin langfristig angekündigt. Man habe ihm versprochen, alle Hebel in Bewegung zu setzen, sagt Holz. Allerdings werde das bis zum Juni wohl nichts mehr. Der Ärger der Leute richte sich besonders auf die kurzfristigen Schließungen der Filiale, in denen Kunden etwa nicht mehr an ihre Schließfächer kommen. Pakete müssten in der nächsten Filiale abgeholt werden.

"Wir werden das im Auge behalten. Schauen wir mal, ob es in Zukunft besser funktioniert", sagt Holz. Es müsse eine tragfähige Lösung geben, auch wenn er Verständnis dafür habe, dass die Post als Unternehmen auf Kosten schauen müsse. Seit Langem suche sie nach einem Partner im Ort, der eine Filiale in seinem Geschäft betreiben könnte. Aber diese Möglichkeit bestehe derzeit nicht. Somit müsse die Post ihren Auftrag selbständig wahrnehmen.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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