Klosterarchiv in Eurasburg:Der Beichtvater und das braune Bier

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Erste Einblicke ins Archiv des Klosters Beuerberg bringen Kurioses, aber auch historisch höchst Interessantes zutage. Ein Besuch unter fachkundiger Führung

Von Lea Utz, Eurasburg

Wer in den ausgebleichten Schriften des Archivs im Kloster Beuerberg stöbert, der fühlt sich wie ein Zeitreisender. Man sieht die Archivarin förmlich vor sich, mit Federkiel und Tinte, wie sie 1855 ein besonderes Ereignis in der Chronik festhält: die Ankunft dreier Mädchen aus Schwarzafrika. Ein Missionar hat sie von arabischen Sklavenhändlern freigekauft, im Kloster sollen sie zum katholischen Glauben erzogen werden. Gar nicht so einfach, vermerkt die Archivarin: "Es war anfangs schwer, mit diesen Kindern zu verkehren, da sie unter dem peinlichen Eindrucke waren, man wolle sie aufzehren." Dergleichen drohte den Neuzugängen natürlich nicht im Kloster Beuerberg. Und so stellt die Salesianerin nach einer Weile zufrieden fest, dass sich die Mädchen schließlich doch "heimisch und glücklich" fühlten. Bei ihrer Taufe war dann sogar Königin Marie von Bayern anwesend, die aber als Protestantin, wie die Archivarin kritisch anmerkt, "noch nicht eingegangen ist in die Herde Christi".

Für den Kirchenhistoriker Roland Götz vom Erzbischöflichen Ordinariat München ist das Archiv eine Schatzkammer. "Man findet immer wieder Dinge, mit denen man nicht gerechnet hat." Einige dieser Schätze - 26 Briefe, Fotos, Bücher und Urkunden aus der gesamten Klostergeschichte - zeigte er Interessierten am Mittwoch im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung "Klausur - Vom Leben im Kloster", die noch bis 16. Oktober in Beuerberg zu sehen ist. Wie die Ausstellung stieß auch dieses Angebot auf große Resonanz. Rund dreißig Besucher drängten sich in der ehemaligen Waschküche des Klosters um die Ausstellungstische, um die Relikte aus vergangener Zeit zu bestaunen. Die Räume des Archivs selbst sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich - sie liegen im zweiten Stock des Klosters, der aus Brandschutzgründen für Besuchergruppen gesperrt ist.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die ältesten Stücke im Archiv...

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

...stammen aus dem 16. Jahrhundert.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

In Paketen wurde das Leben der Schwestern dokumentiert.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Roland Götz zeigt dem Publikum ausgewählte Originaldokumente aus dem Archiv des Beuerberger Klosters.

Die unbedingte Ordnung und die Struktur, die untrennbar mit dem Leben im Kloster verbunden sind, spiegelt sich auch in den archivierten Schriftstücken wider: Sie alle wurden in makelloser Handschrift verfasst und von der Archivarin fein säuberlich in Schränke und Schubladen geordnet. Von Briefen an den Kardinal, den "hochwürdigsten Oberhirten", bis hin zu farbigen Entwürfen der Emporen in der Klosterkapelle ist der Bestand des Archivs nahezu komplett erhalten geblieben. Besonders ergiebig für Historiker sind die alten Rechnungsbücher: "Da sieht man gut, was in einem Kloster so vor sich geht", sagt Götz. In den Kassenbüchern sind bereits von 1846 an, dem Gründungsjahr des Klosters, alle Einnahmen und Ausgaben akribisch aufgelistet - zum Beispiel "das Gehalt des Herrn Beichtvaters", eine "alte Henne", und "16 Eimer braunes Bier".

Dokumente aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert eröffnen auch Einblicke in den Alltag der Schülerinnen, die im Pensionat des Klosters unterrichtet wurden. Auf dem Lehrplan standen unter anderem "Anstandsunterricht" und "Gymnastik", zur Pockenimpfung ging es ins örtliche Gasthaus nach Beuerberg. Andere Schriftstücke weisen auf die Kunstschätze hin, die sich einst im Kloster Beuerberg befanden. Selbst Briefe aus dem Ausland verbergen sich im Archiv: So erhielten die Schwestern in den 1920er Jahren in Zeiten der Wirtschaftskrise Briefe und Lebensmittelsendungen aus dem fernen Kloster Riverdale bei New York. Spanische Schwestern schickten ein Päckchen mit Stoffen, aus denen Kinderkleidung genäht werden sollte - eingewickelt in Urkunden aus dem 16. Jahrhundert. "Das ist schon abgefahren", sagt Archivoberrat Götz, "einerseits ein Irrläufer - und anderseits ein wunderbares Geschichtsdokument." Bis heute werden die historischen Schriftstücke aus Spanien in Beuerberg aufbewahrt. "Wer weiß, vielleicht übergibt der Kardinal Marx ja eines Tages einem spanischen Bischof einen ganzen Stapel nie vermisster Dokumente", scherzt Götz.

Die Dokumente geben auch Aufschluss über die jüngere Geschichte des Klosters, die von den 1960er Jahren an besonders von Nachwuchssorgen geprägt war. 1974 mahnte eine Regionaloberin bei einer Visitation, dass das Kloster sich der Jugend öffnen müsse - davon dürften die Schwestern "auch Hose und Minirock" nicht abbringen. "Letztlich ist es den Schwestern nicht gelungen, das umzusetzen", sagt Historiker Götz. Im Mai 2014 verließen die letzten Schwestern hochbetagt das Kloster, um ins Altersheim zu ziehen.

Das Erzbistum München und Freising übernahm daraufhin das Kloster und damit auch das mehr als 1200 Dokumente umfassende Archiv. Ein Schatz, der noch lange nicht gehoben ist. Denn der größte Teil der Schriftstücke ist noch unerforscht. Zwei junge Historiker haben inzwischen in wochenlanger Arbeit ein Verzeichnis erstellt, das alle Dokumente mit Standort auflistet. Wie das Archiv in Zukunft genutzt werden soll, ist ähnlich wie bei dem gesamten Gebäude noch unklar. "Fest steht: Wir kümmern uns auch um das schriftliche Erbe des Klosters. Es wird nichts verkauft und auch nichts verschenkt", sagt Historiker Götz. Es werde in jedem Fall eine Lösung geben, die es interessierten Forschern ermöglicht, die Schriften einzusehen. "Wo, wann, und in welcher Form ist aber noch nicht geklärt".

© SZ vom 09.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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