Keine Strafe für Königsdorfer Azubi:Freispruch für Bayern-Fan

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Gericht hat Zweifel, dass der Mann eine Frau attackiert hat

Von andreas salch, München/Bad Tölz

Einmal hatte der Angeklagte, ein Fan des FC Bayern München, schon Glück gehabt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen Beleidigung. Bei einem Auswärtsspiel der Bayern beleidigte der 23-Jährige aus Königsdorf einen Polizeibeamten im Stadion von Eintracht Frankfurt mit den Worten: "Keinen besseren Job gefunden, Du W ... ?" Doch das Verfahren gegen den Azubi wurde eingestellt. Dass das in Bayern auch geschehen wäre, wage sie zu bezweifeln, sagte die Staatsanwältin zu dem jungen Mann, der sich jetzt vor dem Landgericht München II verantworten musste.

Auch diesmal war der Azubi wegen Beleidigung angeklagt. Er soll im Januar 2016 nachts vor einem Lokal in der Tölzer Marktstraße einer jungen Frau unvermittelt mit beiden Händen an die Brüste gefasst haben. Als sich der Freund der 19-Jährigen einmischte und fragte, was das solle, soll der Königsdorfer dem 24-Jährigen mit der Hand ins Gesicht geschlagen haben. In erster Instanz hatte das Amtsgericht Wolfratshausen den Azubi deshalb wegen Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 2700 Euro (90 Tagessätze) verurteilt. Gegen diese Entscheidung ging der 23-Jährige nun vor dem Landgericht München II in die Berufung. Zu seiner Verteidigung sagte er nichts. Auch nicht zu seiner Person. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Marco Noli, erklärte lediglich, sein Mandant verdiene 800 Euro im Monat und lebe noch bei den Eltern.

Der Angeklagte, das mutmaßliche Opfer sowie deren Freund sollen zur Tatzeit, in den frühen Morgenstunden des 24. Januar 2016 erheblich betrunken gewesen sein. Bevor es zu dem angeblichen Übergriff kam, standen sie mit anderen jungen Leuten vor dem Kellerlokal in der Marktstraße und rauchten. Dann kam es zu Handgreiflichkeiten. Ein Nachbar hatte die Szene mit seinem Handy gefilmt. Doch dass der Azubi die junge Frau begrapscht haben soll, ist darauf ebenso wenig zu sehen wie der Schlag, den der 23-Jährige dem Freund der jungen Frau versetzt haben soll.

Der Freund des Opfers, ein 24-jähriger Koch, sagte zu Beginn der Vernehmung durch Richterin Sabine Klemt, der Azubi habe seiner Freundin an die Brüste gefasst. Auch dass er vom Angeklagten geschlagen worden sei, bestätigte der Koch. Doch er war damals völlig betrunken. Er hatte eine Blutalkoholkonzentration von rund zwei Promille. Ob man da denn noch eine klare Wahrnehmung habe, fragte Richterin Klemt den Koch. "Die Wahrnehmung ist nicht mehr so gut", lautete seine Antwort. Staatsanwältin Constanze Schneider verwies darauf, dass der Zeuge zuerst jedoch gesagt habe, er habe den Übergriff auf seine Freundin gesehen.

Das mutmaßliche Opfer versicherte ebenfalls, es sei vom Angeklagten begrapscht worden. Einen Atemalkoholtest hatte die 19-Jährige damals verweigert. Zeugen zufolge soll sie regelrecht "zugedröhnt" gewesen sein. An den genauen Hergang der Auseinandersetzung könne sie sich nicht mehr erinnern, räumte die junge Frau ein. Rechtsanwalt Marco Noli sagte, was die 19-Jährige erzähle, sei "vogelwild". Sie könne sich nicht mal daran erinnern, "wie genau" sein Mandant sie angelangt haben soll. Deshalb beantrage er einen Freispruch. Staatsanwältin Constanze Schneider betonte, dass die 19-Jährige und ihre Freund "völlig glaubwürdig" seien. Das Urteil aus der ersten Instanz sei "tat- und schuldangemessen".

Dann das Urteil: Richtern Sabine Klemt sprach den Azubi frei. Alle Beteiligten waren erheblich betrunken, sagte sie bei der Urteilsbegründung. Es gebe erhebliche Zweifel, ob es so war, wie es die 19-Jährige und ihre Freund geschildert haben. Aus diesem Grund sei im Zweifel für den Angeklagte zu entscheiden. Wieder Glück gehabt.

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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